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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Wanderung durch
seine Bibliothek auf, weil er nicht wagte, Neely nach oben zu folgen und ihre
Unterhaltung fortzusetzen. Er hatte nicht viel Blut zu sich genommen in jener
Nacht und mußte noch nach Valerian sehen, der seine einzige Hoffnung auf
Wiederverwandlung und damit Frieden war. Maeve ging wahrscheinlich ihren
eigenen Abenteuern nach, und er konnte nicht von ihr erwarten, daß sie sich um
schwächere Gefährten kümmerte.
    Aidan rieb sich die Schläfen mit
Daumen und Zeigefinger, lehnte sich an die Kante seines Schreibtischs und
seufzte. Dann, mit äußerstem Widerstreben, versetzte er sich in das Verließ der
Burg der Havermails.
    Valerian lag noch immer still und
krank auf der großen Holzplatte. Im flackernden Schein der Kerzen sah Aidan
ein kleines, zischendes Wesen aus dem Schatten gleiten und sich an Valerians
Kehle heften.
    Entsetzen erfaßte Aidan, als er
merkte, daß diese abscheuliche Kreatur, dieses gierige Ungeheuer, die Gestalt
eines Kindes trug. Mit einem gewaltigen Satz sprang er vor und zerrte den
kleinen, drahtigen Körper von Valerians Kehle weg, als handelte es sich um
einen Blutegel. Das kleine Mädchen — es mußte Canaan sein, Benecias Schwester —
zappelte in Aidans Griff, bleckte die tödlichen Zähne und stieß einen knurrenden
Laut aus, tief in ihrer Kehle, wie eine hungrige Wölfin.
    Valerian stöhnte und rollte sich auf
die Seite. »Hör auf«, bat er. »Hör bitte auf!«
    Erstaunlicherweise gehorchte der
kleine Teufel, aber als sie ihre sherryfarbenen Augen zu Aidans Gesicht erhob,
erblickte er den gemeinsten, niederträchtigsten Haß darin.
    Und dieser Haß ging von einem Wesen
aus, das aller Welt wie ein reizendes, fünfjähriges Kind erscheinen mußte.
    »Sie hat nur versucht, mir zu
helfen«, sagte Valerian sanft.
    »Soll ich dich mit ihm allein
lassen, Valerian?« fragte das kindliche Ungeheuer mit zarter Stimme. »Ich bin
ihm nicht gut gesinnt, solltest du wissen.«
    Valerian deutete lächelnd auf die
Tür. »Ich bin sicher bei Aidan«, beharrte er. »Geh jetzt, bitte, und sag deinem
Papa und deiner Mama, daß wir einen Gast haben.«
    Aidans Blick glitt zum Gesicht
seines Freunds. Er hatte kein Verlangen danach, mit den älteren Havermails
zusammenzusein; sie waren unfaßbar grauenhafte Kreaturen, genau wie ihre
Töchter. Als Canaan den Raum verlassen hatte, stieß er ärgerlich hervor: »Also
wirklich, Valerian, ich begreife nicht, was ihr in dieser Familie von
Ungeheuern seht, du und Maeve!«
    »Uns selbst«, erwiderte Valerian
ruhig.
    Die Worte versetzten Aidan einen
schmerzhaften Stich, denn keine Waffe vermochte tiefere Wunden zuzufügen als
die reine, ungeschminkte Wahrheit.
    »Das ist es, was wir sind, Aidan«,
flüsterte der ältere Vampir beschwörend.
    »Nein!« Aidan schüttelte den Kopf
und versuchte, sich aus Valerians Griff zu lösen. »Nein! Du bist zurückgekehrt,
fast bis nach Atlantis, und das werde ich jetzt auch tun. Ich werde das
Gegenmittel für diesen Fluch finden oder auf der Suche danach zugrunde gehen!«
    Unfaßbarerweise lächelte Valerian.
»Was für ein leidenschaftlicher junger Hengst du bist! Komm mit mir, mein
Freund, und laß mich dir andere Realitäten zeigen.« Er machte eine kurze Pause
und drückte zärtlich Aidans Hand. »Du hättest Schauspieler werden sollen mit
deinem Sinn für Dramatik. Zusammen könnten wir Theaterstücke schreiben, die
Shakespeares Werke als sinnloses Geschwafel entlarven würden. Wir könnten ...«
    »Hör auf, Valerian — du träumst!«
fiel Aidan ihm ins Wort. »Ich will nichts von dir, nichts, hörst du, außer dem
Geheimnis, das mir das Leben zurückgibt.«
    Valerian drehte den Kopf zur Seite
und schien sich wieder in sich selbst zurückzuziehen. Er sah jetzt so ähnlich
aus wie in jener schrecklichen Nacht in der Krypta, als er dem Tode so nahe
gewesen war.
    Aufgrund ihrer geistigen Verbindung
spürte Aidan Valerians Schmerz selbst so heftig, als ob es sein eigener wäre.
Und vielleicht war es ja auch so, denn schließlich hatte er ihn ausgelöst. Mit
einem Aufschrei ließ Aidan seinen Kopf auf Valerians eingefallenen Brustkorb
sinken. »Ich kann dir nicht die Zuneigung entgegenbringen, die du dir von mir
ersehnst«, wisperte er gequält. »Ich kann es einfach nicht!«
    Langsam und sehr zärtlich hob
Valerian eine zitternde Hand und legte sie auf Aidans Hinterkopf. »Ja«,
flüsterte er gebrochen. »Ich weiß.« -
    In diesem Augenblick erklang das
Knirschen einer uralten Tür, und Aubrey Havermail trat ein,

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