Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
vor einem prasselnden Kaminfeuer um einen langen hölzernen
Tisch saßen. Ihre leeren Teller und Gläser klirrten leise, ihre
schrecklich-schönen Gesichter glühten im orangefarbenen Widerschein der
Flammen.
Aubrey, das Oberhaupt dieser
abstoßenden Familie, erhob sich, als Aidan näherkam. »Unser Gast ist
eingetroffen. Wir wunderten uns schon über die Verzögerung.«
Aidan ermahnte sich, daß dieses
abscheuliche Wesen sein Dilemma lösen würde. »Ich bitte um Verzeihung«,
erwiderte er höflich. »Ich machte mir Sorgen um meinen Freund.«
Benecia schaute zu ihm auf.
»Valerian ist nicht Ihr Freund«, erklärte sie. »Kein Vampir kann Ihr Freund
sein, weil Sie sich nicht als einer der unsrigen betrachten. Warum tun Sie
also, als wäre es so?«
»Das genügt, Benecia«, rief Aubrey
sie streng zur Ordnung. Er war ein schlanker, gutgebauter Mann, ganz
offensichtlich das Produkt von Generationen von Aristokraten. »Nehmen Sie doch
bitte Platz, Mr. Tremayne.«
Aidan geriet zum erstenmal, soweit
er zurückdenken konnte, in Verlegenheit. Er ließ sich auf dem einzigen freien
Stuhl nieder, zwischen Mrs. Havermail — Maeve hatte sie ihm bei seinem
letzten Besuch als Roxanne vorgestellt — und Canaan, die zerbrechlich wie ein
Kätzchen wirkte und ungefähr so gut erzogen war wie ein weißer Hai im
Blutrausch.
Roxanne ließ ein trillerndes Lachen
hören, das Aidan wie eine eiskalte Hand über den Rücken strich. Sie hatte
schweres, dunkles Haar, was ihn auf unangenehme Weise an Lisette erinnerte,
perfekte Gesichtszüge und eine absolut farblose Haut. »Bitte wundern Sie sich
nicht über unsere seltsame Angewohnheit, uns zusammen zu Tisch zu setzen, Mr.
Tremayne«, sagte sie. »Es ist das einzige, was uns von einem normalen Familienleben
geblieben ist.«
Aidan nickte, sein Blick glitt von
einem dieser bezaubernden Ungeheuer zum nächsten. Trotz der Unterschiede in
Größe und nach menschlichen Maßstäben gemessenem Alter schienen die Havermails
den gleichen Grad an Macht und Erfahrung als Vampire zu besitzen. Roxannes
Erklärung entbehrte daher nicht einer gewissen Vernunft; während sie bei Tisch
saßen, konnten sie so tun, als ob sie noch aus Fleisch und Blut bestünden.
Und das war etwas, das Aidan
verstehen konnte.
»Trauern Sie Ihrer Zeit als Mensch
nach?« fragte er, um Konversation zu machen.
Roxannes Kichern war boshaft genug,
um das Blut eines Heiligen gerinnen zu lassen. »Nachtrauern?« echote sie.
»Mein lieber Aidan — da unsere liebe Maeve so oft von Ihnen gesprochen hat,
glaube ich, Sie gut genug zu kennen, um auf Förmlichkeiten zu verzichten —,
warum sollte jemand Krankheiten und gebrochen Herzen nachtrauern?«
»Und dem Tod«, warf Benecia ein.
Canaan rümpfte ihre zierliche,
sommersprossige Nase. »Oder im Schulzimmer sitzen, Stunde um Stunde, und langweilige
Lektionen über sich ergehen zu lassen.«
Aubrey rief die kleine Gesellschaft
zur Ordnung, indem er beide Hände hob und den Kopf leicht zur Seite neigte.
»Nun, nun«, sagte er schmunzelnd. »Laßt uns nicht ungezogen sein.«
Ungezogen, dachte Aidan.
Erstaunlich. Dies waren Wesen, die nachts ihren menschlichen Gegenstücken
auflauerten, ihnen die Lebenskraft aussaugten und dann bei Tag ihren Blutrausch
zufrieden ausschliefen. Und da sorgte Havermail sich um Tischmanieren?
»Ich mag Sie nicht«, verkündete
Canaan wie schon zuvor ihre Schwester und bedachte Aidan mit einem
verächtlichen Blick.
»Diese Abneigung ist durchaus
gegenseitig«, erwiderte Aidan höflich.
Die anderen Havermails, belustigt
über seine Tollkühnheit, kicherten und erinnerten Aidan an die drei Hexen aus Macbeth.
Roxanne erstaunte alle, indem sie
einen silbernen Löffel aufhob und damit an ein kristallenes Weinglas klopfte.
»Canaan, Benecia — ihr werdet eure schlechten Manieren wiedergutmachen, indem
ihr für unsere Unterhaltung sorgt. Canaan, du kannst ein Gedicht vortragen.
Benecia, du wirst singen.«
War dies Wiedergutmachung, oder ließ
sie den Mädchen freien Lauf, um ihren hilflosen Gast noch schlimmeren Qualen
auszusetzen?
»Eine großartige Idee«, sagte Aubrey
Havermail und sprang so unvermittelt von seinem Platz auf, daß er sein leeres
Weinglas umstieß. »Kommt in den großen Salon, wo die Orgel steht.«
Aidan lächelte gequält und folgte
der Vampirfamilie durch den großen Saal in ein anderes, etwas kleineres Gemach.
Hier stand tatsächlich eine Orgel, umgeben von bronzenen und silbernen
Kerzenleuchtern, die dick mit Spinnweben bedeckt
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