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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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das er heute war. Statt dessen hätte
sie ihn benutzen sollen, bis er sie langweilte wie die meisten jungen Sterblichen,
die ihm vorangegangen waren, um dann seine Lebenskraft aus ihm herauszusaugen
und seine leere Hülle achtlos fortzuwerfen.
    »Närrin«, flüsterte sie bitter. Eine
weiche Brise trug den Ton auf die warme spanische See hinaus.
    Lisette stieg auf die
Terrassenbrüstung und blieb dort mit weitausgebreiteten Armen stehen. Ihr
weißes Kleid blähte sich im Wind und flatterte um ihre zierliche Gestalt.
Anderthalb Jahrhunderte lang hatte sie schlafend in ihrem versteckten Sarg
gelegen, war nur ab und zu aufgestanden, weil sie wußte, daß sie sterben würde,
wenn sie überhaupt keine Nahrung zu sich nahm. Ihre Verzweiflung war so groß
gewesen, daß sie ihr in all diesen hundertfünfzig Jahren den Willen geraubt
hatte, ihr normales Leben wiederaufzunehmen.
    Dann, während einer ihrer kurzen,
fieberhaften Stippvisiten in der Welt der Menschen, hatte sie einen anderen
weiblichen Vampir erblickt, Maeve Tremayne. Maeve war Aidans Zwillingsschwester,
und die Ähnlichkeit zu ihm hatte eine ganz unvermittelte und langvergessene
Aggressivität in Lisette geweckt.
    Von jener Nacht an hatte sie sich
gezwungen, aufzustehen und sich auf die Jagd zu machen. Sie hatte ihre
übernatürlichen Fähigkeiten geübt und sich bemüht, ihre früheren Kräfte
wiederzuerlangen.
    Bald würde sie wieder immun gegen
das Tageslicht sein, wie sie es einst gewesen war, und imstande, frevelhaften
Vampiren bis zu ihrem Versteck zu folgen.
    Sie war noch immer die Königin der
Bluttrinker, unter den ältesten auf Erden, und fest entschlossen, ihnen allen
zu beweisen, daß sie noch nicht vorhatte, abzudanken. Danach würde sie dann
zur Rache schreiten und ihre Feinde strafen, einen nach dem anderen.
    Valerian, dieser abscheuliche
Verräter, würde der erste sein. Nach ihm Maeve, die — davon war Lisette fest
überzeugt — den heimlichen Ehrgeiz hatte, selbst über die Kreaturen der Nacht
zu herrschen. Und wenn Maeve und Valerian nichts mehr als rauchende
Aschenhaufen waren, die in der Sonne schmorten dann — schwor sich Lisette — würde sie ihre volle Aufmerksamkeit
auf Aidan konzentrieren.
    Und wenn sie mit ihm fertig war,
würden selbst die Feuer der Hölle ihm wie eine süße Verlockung erscheinen.
    »Lisette.«
    Die beiden hellen Stimmen hinter ihr
erschreckten sie so sehr, daß sie fast von der Terrassenbrüstung auf die
felsige Küste unter sich gestürzt wäre. Der Sturz hätte ihrem Körper zwar nicht
geschadet, aber ihren Stolz verletzt.
    Langsam drehte sie sich um und
schaute in die bleichen Gesichter ihre Besucherinnen.
    Canaan und Benecia Havermail standen
vor ihr, beide in altmodischen Kleidern aus gelbem Satin. Lisette war froh,
daß sie niemals erwachsen sein würden, denn ihre Gemüter waren mindestens so
verdorben und boshaft wie ihr eigenes, und die beiden Mädchen hätten eine
gefährliche Konkurrenz für sie bedeutet.
    »Was wollt ihr?« fragte sie gereizt.
    Wieder sprachen die beiden
kindlichen Ungeheuer in perfektem Einklang miteinander, ihre Zähne glitzerten
im Sternenschein, als sie antworteten: »Wir sind wegen Mr. Tremayne gekommen.
Er war in Havermail Castle und hat nach der Bruderschaft gefragt.«
    Lisette schwebte von der Brüstung
herab und blieb vor dem schrecklichen Gespann stehen. »Was will Aidan von der
Bruderschaft?« Sie hob die Hand, als beide Mädchen wieder gleichzeitig zum
Sprechen ansetzten. »Es braucht nur eine von euch zu antworten.«
    Nach einem triumphierenden Blick auf
ihre Schwester fuhr Benecia alleine fort: »Er möchte wieder sterblich sein«,
sagte sie und kicherte über diesen so sonderbaren Wunsch. Canaan stimmte in ihr
Kichern ein.
    Lisette jedoch war keineswegs
belustigt. Sie wandte sich von ihren Besucherinnen ab und umklammerte mit
beiden Händen die Balustrade. Ihres Wissens nach hatte noch kein Vampir je eine
solchen Schritt getan, aber Aidan war mutig — und verrückt — genug, es zu
versuchen.
    Vielleicht mußte sie die
Angelegenheit doch noch schneller klären, als sie geplant hatte.

Zehn
    Neely fuhr bis zum späten Nachmittag,
aber dann war sie so erschöpft, daß sie anhalten mußte. Sie mietete sich ein
Zimmer, diesmal in einem großen Hotel, und verschloß sorgfältig sämtliche
Schlösser, bevor sie sich zum Schlafen niederlegte.
    Als sie die Augen öffnete, war ihr,
als ob sie aus einem Koma erwachte. Der Raum war stockfinster bis auf die roten
Leuchtziffern

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