Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
geformt.
Valerian schluchzte wie ein Kind,
sein Schmerz war so tief und ungezügelt wie seine Zuneigung zu Aidan. Was er
für ihn empfand, war unbeschreiblich sinnlich, und doch ging es weit über
sexuelles Verlangen und die primitive tierische Befriedigung, die Menschen
suchten, hinaus. Nein, es war die Kommunion, die Gemeinschaft mit dem anderen
Vampir, die Valerian ersehnte, etwas sehr viel Tiefergreifenderes als bloßer
Sex, denn er liebte Aidan, wie er noch kein anderes Wesen geliebt hatte.
Mit einer Ausnahme ...
Er warf den Kopf zurück und stieß
einen gequälten Schrei aus, schrill wie das Heulen eines Wolfes in einer klaren
Winternacht. Als dieser Schrei verklungen war, ließ er ihm einen zweiten
folgen, noch verzweifelter diesmal. Dann schließlich, als er nicht mehr weinen
konnte, als er sich von jeglicher Emotion gereinigt hatte, schloß Valerian die
Augen und schlief ein.
Zwölf Stunden später erwachte er und
schwebte aus den Mauerritzen der uralten Abtei wie blasser, grauer Rauch.
In der Krypta, wo er Aidan und die
Frau zurückgelassen hatte, verkörperte Valerian sich wieder.
Neely schlief, wie ein Kätzchen an
Aidans Seite geschmiegt, ihre blasse Haut von irgendeinem Traum gerötet.
Valerian konnte ihr Herz schlagen hören und wünschte sich verzweifelt, ihr
etwas von ihrer Wärme und Vitalität zu nehmen.
Das darfst du nicht, ermahnte er
sich jedoch streng. Es wäre ein vergifteter Sieg gewesen und somit eine
Niederlage.
Aidan öffnete die Augen und sprach
mit seinem Freund, doch nur im Geiste und nicht durch Worte. Bring sie fort
von diesem Ort, bat er. Wenn du je etwas für mich empfunden hast,
Valerian, dann bring Neely dorthin zurück, wo du sie gefunden hast, und sorg
dafür, daß sie sicher ist. Jetzt — bevor sie erwacht.
Valerian nickte, aber er vermochte
nichts darauf zu antworten, nicht einmal in Gedanken. Er legte seine Hand über
Neelys Gesicht, worauf ihre Atemzüge sich vertieften, hob sie auf seine Arme
und dachte grimmig an das kleine Haus an der Küste von Maine.
Der Fernseher lief noch, als Neely die
Augen öffnete und feststellte, daß sie fröstelnd und verkrampft auf der Couch
im Wohnzimmer lag, eine aufgeschlagene Zeitung unter ihrer Wange. Sie trug ihr
Nachthemd und Wendys Morgenrock, und draußen kam ein Schneesturm auf.
Sie legte die Zeitung beiseite und
rieb sich verwirrt die Augen. Dann rollte sie sich auf den Rücken und starrte
traurig an die Zimmerdecke. Es war alles so real gewesen — Valerian, der fast
einen Herzanfall bei ihr ausgelöst hatte, als er aus dem Nichts heraus in
seiner ganzen beeindruckenden Pracht vor ihr erschienen war. Und dann Aidan,
der hilflos und krank an jenem schaurigen Ort gelegen hatte ...
Es konnte unmöglich nur ein Traum
gewesen sein.
Sie waren sich so nahe gewesen, sie
und Aidan, so innig miteinander verbunden, als sie sich stumm in den Armen
gehalten hatten. Sie hätte ihm ihr eigenes Blut geschenkt, wenn er sie darum
gebeten hätte.
Neely war innerlich zu erstarrt und
zu erschüttert, um zu weinen. Sie rollte sich vom Sofa, richtete sich
schwankend auf und ging zur Heizung, um sie aufzudrehen. Dann brühte sie sich
Kaffee auf. Vielleicht würde eine kräftige Dosis Koffein ihren verwirrten Geist
wieder auf Touren bringen und sie befähigen, Träume von Realität zu
unterscheiden.
Valerian hatte ihr zweifellos in der
vergangenen Nacht einen Besuch abgestattet, dachte sie später, als sie am
Fenster stand, an dem heißen Kaffee nippte und in den heulenden Schneesturm
hinausschaute. Sie hatte Jeans und einen Pullover angezogen, und Valerian
hatte sie zu Aidan gebracht ...
Aus einem plötzlichen Impuls heraus
lief sie ins Schlafzimmer und riß die Schrankschubladen auf.
In einer lag ordentlich gefaltet der
rosa Pullover, ihre Jeans in einer anderen.
Sie faltete die Hose auseinander und
atmete erleichtert auf, als sie sah, daß der blaue Stoff mit weißem Staub
bedeckt war. Sie drückte das Kleidungsstück an die Brust, froh über den Beweis,
den es ihr bot.
Sie war bei Aidan gewesen in der
Nacht zuvor, und im ersten Moment freute sie sich darüber, doch dann fielen ihr
Valerians Worte ein: Aidan stellte für andere Vampire eine Bedrohung dar. Es
war möglich, daß sie ihn wärend der Nacht an einen Pfahl fesselten, um ihm am
nächsten Tag einer brutalen Sonne auszusetzen. Er würde schrecklich leiden —
unter dem gleichen Licht, das praktisch jedes andere Lebewesen auf Erden nährte
—, und die Schuld daran würde nur
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