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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verdient hätte – nichts, außer den eifersüchtigen Hass
dieser Hexe zu erregen, die bis zu Arminnas Erblühen als die schönste Frau im
ganzen Lande gegolten hatte. Und die Götter, ihre Götter, schätzten gute Taten
aller Arten. Wenn sie also bei diesem Unternehmen reich würde, umso besser!
     
    Es wurde spät, weit nach Mitternacht,
bis sie und Karl endlich aufbrechen konnten. Es war an diesem Abend laut und
gereizt zugegangen in der Schänke, und sie hatten manchen Krakeeler an die
frische Luft setzen müssen, ehe sie Feierabend machen konnten.
    Bald hatten
sie die Burg, die etwa eine Meile östlich am Fuß einer kleineren Gebirgskette
lag, erreicht. In der Schlucht unweit davon brauste der Wasserfall, dem das
Dorf den Namen verdankte. Nun kauerten die beiden, sein gedämpftes Tosen im
Ohr, eine Bogenschussweite vom Zentrum der grellweißen Mauer entfernt, hinter
einer stämmigen Kiefer. Eine Wolke bedeckte den Mond, so dass Dunkel über den
Wäldern lag. Von dem Troll war noch nichts zu sehen oder zu hören … aber letzte
Nacht war das »Ding« ja auch erst aufgetaucht, als sie schon fast am Tor stand.
    Als der Mond
wieder hinter der Wolke hervorkam, tat sich in der fünfzig Fuß hohen Wand eine
golden glühende Öffnung auf, durch die der hohe Turm im Zentrum der
verzauberten Burg zu erkennen war. »Das Tor!«, flüsterte Karl und wies darauf.
    »Warum ein
Mondtor, frage ich mich?«, murmelte Shale.
    »Vielleicht,
weil die Zauberin eine Mondhexe ist«, sagte er. »Sie muss die Macht ja
irgendwie einfallen lassen. Sonst würde der Bau, der wohl auf Illusionen
gründet, einstürzen, in Trümmer fallen. Darum das Tor. Nur Pech für uns, dass
ihre Macht mit dem Mond abnimmt …« Und er musterte eingehend und mit leicht
gerunzelter Stirn die ragende Pforte. »Die beste Waffe gegen Illusionen ist
harter Stahl. So lass dein Schwert tanzen, was immer du zu erblicken glaubst,
und wir schaffen es.«
    Jetzt konnte
sie nur hoffen, dass seine Kenntnis des Obskuren auf der Höhe der anstehenden
Aufgabe sei – denn ihre eigenen Fähigkeiten beschränkten sich auf die zum
Schwertkampf. »Der Troll wirkte ganz schön wirklich«, sagte sie.
    »Er ist das
Rätselhafte daran. Diese Hexe muss ihn irgendwie hergelockt haben«, versetzte
er und löste dann das Säcklein Trollblumen vom Gürtel. »Und ab geht’s!« Damit
lief er los, den Hang hoch und aufs Tor zu.
    Doch ehe er es
erreichte … kam der Troll um die westliche Mauerecke geschlurft. Da leerte er
hastig sein Säcklein aus und wich etwas zurück.
    Der Troll
blieb, mit erhobenem Haupt und bebenden Nüstern, ein paar Schritte vor ihm jäh
stehen, setzte sich genau auf die Stelle, wo das Kraut verstreut war … legte
aber, statt herumzutollen, den monströsen Kopf in die Pfoten und stimmte ein
herzzerreißendes Geheul an. Vor Verblüffung alles Übrige vergessend, starrte
Shale ihn an – bis ein vor ihren Füßen landender Stein ihr Augenmerk auf Karl
lenkte, der ihr vom Tor aus hektisch winkte.
    Da zog sie ihr
Schwert, jagte den Hang hoch und folgte nach einem letzten Blick auf den armen
Troll ihrem Partner durch das enge Tor, durch das der Troll nur halb gepasst
hätte, ja, selbst Karl nur mit Mühe passte.
    Mondlicht lag
auf dem kaltweißen Pflaster des Burghofs. Kein Baum, Strauch oder anderes
Lebewesen störte die kristalline Schönheit dieses Orts. Wie eingefangenes
Mondlicht, in Stein verwandelt, genau wie Karl vermutete, dachte Shale. Aus der
Mitte des gepflasterten Hofes aber erhob sich der Bergfried, ebenso kalt und
schön, gen Himmel. Droben, an der Seite, sah Shale eine Öffnung – ein schmales
Fenster, aus dem silberner Schein fiel … Und bis auf ihr Atemgeräusch war kein
Laut zu hören. Das Geheul des Trolls und das Murmeln des Wasserfalls sperrten
wohl die Mauern aus.
    »Was ist nun
mit dem Troll?«, flüsterte Shale. »So sollte das Kraut doch nicht wirken,
oder?«
    »Wen
schert’s?«, meinte Karl nur und hob die Hände. »Wir sind drin!«
    »Was nun?«,
fragte sie und zeigte auf die glatte Turmmauer.
    »Ich gedachte,
zur Vordertür hineinzugehen«, meinte er und musterte kopfschüttelnd den Turm.
»Nur ist da keine … Doch vielleicht kann ich dir ja hochhelfen.«
    Aber auch auf
seinen Schultern stehend, reichte sie nur halb so hoch wie nötig. Leise
fluchend sprang sie zu Boden. »Wir müssen zurück, ein Seil holen. Ich hoffe
aber nur, dass deine Trollblume auch lange genug wirkt.«
    Ein Lärm am
Tor ließ sie aufhorchen. Sie fuhr herum,

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