Silberschwester - 14
Schulter, sah Rabin in das schmale, ernste Gesicht. »Nicht ich habe
Spatz gerettet«, sprach sie. »Sie hat sich selbst gerettet.«
»Sie ist
stark, so wie ihr Vater«, erwiderte Rabin. »Ich bin noch nie stark gewesen.«
Und schnell nahm sie ihre Hände von Winters Schultern. »Er hat mich geliebt.«
»Ich weiß«,
sagte Winter. Sie hatte es in ihrer Sehschüssel viele Male gesehen, so klar wie
das Sonnenlicht auf seinem Gesicht: seine Liebe für Frau und seine Tochter.
»Wie musst du
mich für meine Schwäche gehasst haben«, murmelte Rabin.
»Ich habe dich
nie gehasst,« sagte Winter – es war nicht Hass, sondern Enttäuschung über einen
sieben Jahre zurückliegenden Verrat, was sie empfand. »Aber ich weiß wirklich
nicht, was uns nach so vielen Jahren des Schweigens denn noch verbinden
könnte.«
»Du meinst
wohl, was einen Menschen und ein Tier verbindet!«, erwiderte Rabin in plötzlich
harschem Ton. »Ich bete jeden Tag zur Göttin, dass sich mein Fluch nicht bei
Spatz zeigt! Ich hätte aus Tjalve fliehen sollen, noch ehe ich ein Kind
bekommen konnte. Aber ich war zu schwach. Ich sagte Jäger, ich wäre einmal im
Monat so krank, dass ich allein schlafen müsste. Er hat mir geglaubt und sein
Leben für mich geopfert, in der Überzeugung, ich sei ein Mensch. Oh, ich hätte
nach der ersten Verwandlung im Wald bleiben sollen! Ich bin ein Ungeheuer!«
»Nein!«,
schrie Winter und fuhr herum, um ihr in die Augen zu sehen. Rabin hatte ihre
Größe – war jedoch so dünn, dass der Kittel aus ihrer Truhe wie ein Sack um sie
hing. »Rabin, du hast das Mondmal! Im Westen verwandeln sich Mondgebannte in
Wölfe. Und du hast westliches Blut in dir. So wie die Göttin die Familie meines
Vaters auserwählt hat, hat sie auch dich auserwählt.«
»Auserwählt?«,
schrie Rabin. »Verflucht! Götter, was habe ich mit diesem Banditen angestellt?!
Was habe ich mit den vielen anderen gemacht!«
»Du hast schon
andere Leute getötet?«
»Ja, andere
Banditen! Aber reicht das nicht?«, rief Rabin und schloss, rot vor Scham, die
Augen. »Und, die Göttin helfe mir … ich habe das genossen!«
»Jetzt auch
noch?«
»Nein«,
flüsterte Rabin. »Jetzt verabscheue ich es.«
»So geht es
mir auch. Aber ich bereue nicht, was ich getan habe.«
»Aber du«,
rief Rabin lohenden Blicks, »hast ihnen nicht mit den Zähnen die Kehle
zerfleischt und nach Blut, immer mehr Blut gedürstet!«
»Ein Wolf kann
kein Messer halten! Du hast getan, was du tun musstest. Wir alle tun, was wir
tun müssen, um zu überleben. Du hast nicht zu anderen Zeiten Menschen getötet.
Und wirst es nicht ständig tun.«
»Ich will es
nicht riskieren! Kann denn kein Zauber diesen Fluch brechen?«, wisperte Rabin,
mit dem Ton der Verzweiflung in der Stimme. »Und kein Zauber meine Tochter vor
diesem Los bewahren?«
Und Winter
erwiderte, die Szene vor Augen, da ihr Wildkater vor dem kleinen Kind geflohen:
»Ihr habt beide das Mondmal, das ist nicht zu ändern«, und fuhr fort, als Rabin
vor Qual die Augen schloss: »Aber dein Bann ist beherrschbar … Sag, willst du
diese Fähigkeit wirklich aufgeben?«
Rabin gab
keine Antwort.
»Möchtest du
nicht wissen, wie man sich von selbst in einen Wolf verwandelt?«
Rabin riss
Mund und Augen auf. »Aber ja!«
»Ich habe ein
altes Buch, das von dieser Gottesgabe spricht, die du geerbt hast. Bleibe, bis
du dich gewollt verwandeln kannst.« Rabin sah stumm vor sich hin. »Also, man
wird dich nicht wie eine Aussätzige behandeln, wenn du bei mir wohnst. Ich bin
in Tjalve wieder willkommen!« Rabin errötete. »Das mit der Wölfin begann, als
du deine Tage bekamst? Dann weiß ich ja endlich, warum du plötzlich so
reserviert warst.«
Rabin sah
verlegen beiseite. »Ich wollte nicht, dass jemand es erfährt. Oh, wie ich
betete, dass niemand das herausfände. Alles umsonst!«
»Die dich
jetzt gestern Nacht sahen, hielten dich für meinen dienstbaren Geist. Und ich
beließ sie bei ihrem Glauben. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen«,
sagte Winter und fügte, nach kurzer Überlegung, hinzu: »Du brauchst dich auch
nicht auf das Studium des Kontrollzaubers zu beschränken.«
»Ich verstehe
nicht …«, erwiderte Rabin.
»Ich brauche
eine Erbin. Und Spatz hat Magie in sich«, sagte Winter lächelnd. »Und du auch.«
Rabin machte
große Augen. »Ich hab dich immer so beneidet«, rief sie. »Und wollte doch so
gern zaubern können wie du!«
»Bleib«, sagte
Winter. »Lerne, deine Magie zu gebrauchen … Und
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