Silberstern Sternentaenzers Sohn 04 - Familiengeheimnisse
besser, die alten Geschichten ruhen zu lassen“, sagte er mit ruhiger, kräftiger Stimme. „Was vergangen ist, ist vergangen! Es ist nicht gut, in der Vergangenheit zu wühlen.“
Obwohl Annit nicht wusste, wie der bisher so schweigsame Mann reagieren würde, wagte sie es dennoch, zu widersprechen. „Ich will es aber wissen, deswegen bin ich schließlich gekommen.“
Achmed wollte gerade erneut zu einer Antwort ansetzen, doch Elena bremste ihn mit einer Handbewegung.
„Achmed, sie hat ein Recht auf die Wahrheit“, erwiderte sie leise. „Sie hat ein Recht darauf, alles zu erfahren. Es muss sein.“
Achmed hielt inne. Er nickte seiner Frau kurz zu. „Wenn du meinst, dass es richtig ist, dann tu es“, entgegnete er. „Aber ich geh dann besser.“ Damit verließ er den Raum.
Elena lehnte sich zurück, auch Annit und Mannito machten es sich auf den Kissen bequem.
„Es war einmal ein Mädchen“, begann sie. „Es sah so aus wie du, Annit. Es war jung, voller Sehnsucht, Liebe und Leidenschaft.“ Elena lächelte. „Ich liebte es, zu reiten, genau wie du, Annit. Ich war gut. Wahrscheinlich hast du das von mir geerbt. Damals habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt. ln einem großen, schönen Haus. Mit viel Platz und Personal.“
Elena ging zum Schrank und zog darunter einen alten Schuhkarton hervor. Liebevoll strich sie über den Deckel, bevor sie die Schachtel vorsichtig öffnete. „Ich habe schon ewig nicht mehr hineingeschaut“, murmelte sie. „Ein halbes Leben lang.“
Sie nahm ein paar Bilder heraus und reichte sie Annit. Auf den Bildern war ein imposantes, weißes Haus mit einer großen Terrasse und zwei Balkonen zu sehen, umgeben von einem Garten voller Oleanderbüsche und Jasminsträucher. Zu dem Haus führte eine lange geteerte Auffahrt.
„Wo ist das?“, wollte Annit wissen.
„Das ist in Griechenland. Das war mein Zuhause.“ Ein Hauch von Sehnsucht überzog Elenas Gesicht. Sie reichte Annit ein weiteres Foto, das ein dunkelhaariges Mädchen auf einem großen prächtigen schwarzen Araber zeigte. „Das bin ich, und das war mein Pferd“, erzählte Elena weiter. „Es hieß ‚Leuchtender Mond’. Ich habe es sehr geliebt.“
Nachdenklich betrachtete Mannito das Foto. „Das könntest auch du sein, Annit“, raunte er ihr dann leise zu. „Die Ähnlichkeit ist unglaublich. Sie sitzt genau wie du auf dem Pferd!“
Fasziniert starrte Annit auf das Foto, das herrliche Pferd und das wunderschöne Haus. Wie kommt es, dass du heute in dieser Armut leben musst? Was ist in deinem Leben nur passiert?
Elena lächelte. „Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, und meine Eltern hatten große Pläne mit mir. Ich ging in eine Privatschule und sollte später studieren.“ Sie seufzte. „Aber dann kam alles ganz anders.“
„Was ist passiert?“, fragte Annit neugierig.
„Ich habe mich verliebt“, erklärte Elena. „In Achmed. Es war Liebe auf den ersten Blick.“
„Was war daran so falsch?“, hakte Annit nach, die sich zwar beim besten Willen nicht verstellen konnte, wie man sich auf den ersten Blick in Achmed verlieben konnte. Aber, na ja, gut!
„Alles“, antwortete Elena ernst. „Achmed war ein armer türkischer Bauer und hat als Erntehelfer auf unserem Gutshof ausgeholfen, um sich etwas Geld zu verdienen.“
Elena schloss die Augen. „Ich war gerade von einem Ausritt zurückgekehrt und wollte mein Pferd Leuchtender Mond in den Stall bringen. Da stand Achmed plötzlich vor mir. Groß, schlaksig, mit den schönsten, dunkelsten und stolzesten Augen, die ich jemals gesehen hab. In der Hand hielt er ein Sträußchen Jasmin. ,Für dich', hat er verlegen gesagt. Ich hab das Sträußchen genommen und versank dabei für einen Moment in seinen dunklen Augen. Dann hab ich mich umgedreht und bin gegangen - ohne zurückzuschauen. Mein Herz hat so heftig geklopft, und in meinem Bauch spürte ich so viele ungewohnte Gefühle, dass ich sofort wusste, etwas ganz Besonderes ist geschehen. In den Tagen darauf hab ich immer wieder Ausschau nach ihm gehalten, doch er tauchte nicht mehr auf. Erst eine Woche später bin ich ihm wieder begegnet - und von da an waren wir unzertrennlich.“
„Er war deinen Eltern nicht gut genug, weil er ein Bauer war?“, vermutete Mannito, der Elenas Erzählung ebenso gespannt gelauscht hatte wie Annit.
„Das auch“, seufzte Elena.
„Ganz schön spießig!“, konnte sich Annit absolut nicht verkneifen zu sagen. „Es
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