Silent Control | Thriller
Kontrollzentrum, die Rechner- und Mannschaftsräume, Labore, der Flughangar oder die Versorgungseinheiten konnten im Ernstfall durch dreißig Zoll starke Stahltüren getrennt werden. June hatte sich das bei einer Übung gemerkt.
Sie sah auf Torbens Monitor, dass er schon weit gekommen war. In der kurzen Spanne hatte er verschiedene Dateien des CIA-Direktors geknackt.
»Wie hast du das nur so schnell hinbekommen?«
Torben trat neben sie. »Mit dem Programm unterbinde ich den Versuch der Kommandozentrale, meinen Zugriff auf den Server abzuwürgen.«
»Genialer Junge. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Hacker loben würde«, erwiderte June, während sie an der Workstation einen Befehl eingab, mit dem sich die Stahltüren zwischen den Sektoren schlossen. »Das hält uns die Bulldoggen von Clark für eine kurze Weile vom Hals! Ich habe noch keine Ahnung, wie wir hier rauskommen.«
Clark inspizierte gerade mit zwei Soldaten das Labor, als er von Miles angefunkt wurde. Nachdem er die Zelle von Arnström leer gefunden hatte, kümmerte er sich persönlich um diese ärgerliche Angelegenheit. Ich hätte diesen räudigen Hund gleich erschießen sollen, dachte er, während er sein Funkgerät aus der Gürtelhalterung nahm.
»Was gibt’s? Haben Sie Arnström?«
»Sir, Agent Madlow ist in Rechnerraum 2 im Sektor C eingelassen worden. Sie hat eben die Notfalltüren geschlossen. Wir versuchen vergeblich, den Zugriff auf die Daten zu unterbinden, aber …«
»Was? Diese verdammte Schlampe!«, brüllte Clark. Die Adern auf seiner Stirn schwollen an. Er stürzte sich auf Orlando, der auf einem Stuhl kauerte, packte ihn an der Gurgel und drückte zu.
»Verdammt, was haben Sie damit zu tun?«
Würgend schnappte Orlando nach Luft. »Nichts, Sir, gar nichts!«
Clark ließ den japsenden Mann los und hielt sich das Funkgerät dicht vors Gesicht.
»Miles? Was ist los mit Ihnen? Öffnen Sie die Verriegelungen, oder ich setze Sie in der Mittagssonne in der Wüste aus!«
»Machen Sie mit mir, was Sie wollen, aber ich brauche nun mal Zeit, um den Server wieder unter meine Kontrolle zu bekommen«, sagte Miles, der Clarks Ausfälle offenbar leid war. »Ihre hübsche Agentin hat übrigens gerade einen Soldaten ins Jenseits befördert.«
»Was?« Clark fiel fast das Funkgerät aus der Hand.
»Einfach abgeknallt«, vermeldete Miles.
»Männer, mitkommen!« Der CIA-Direktor warf einen letzten verächtlichen Blick auf Orlando, der reglos in seinem Sessel hockte. »Mit Ihnen bin ich noch nicht fertig.«
Die Soldaten, die mit ihm den Raum verließen, erkundigten sich nach dem Vorgehen.
»Ohne Befehl schießen! Sie kommen mit, Sie besorgen Sprengstoff. Wir müssen die Stahltüren aufbrechen.«
Torben rieb sich das Gesicht. »Mist, das dauert ewig mit dem Netz, falls es überhaupt noch eins gibt. Ich will die Dateien ins Darknet stellen.«
Die Wunde an seinem Bein blutete wieder. Ihm war kalt.
»Was ist das?«, fragte Madlow.
Mit einer Tastenkombination öffnete er ein Dokument mit dem Namen SILENT CONTROL.
Hastig überflog er den Text und zog parallel die Datei auf das iPad, das er inzwischen mit beiden Rechnern verbunden hatte. Nun konnte er nur hoffen, dass das Netz funktionierte und dass es noch genug Anonymous gab, die die Information verbreiten würden. Ein merkwürdiger Moment innerer Stille trat ein, als würde die Zeit stehen bleiben. Schon die ersten Zeilen des Dokuments schockierten beide.
Im Grunde war es die Bestätigung für das, was Anonymous und Occupy schon immer befürchtet hatten. Das System würde seine Menschen nun zu offenen Sklaven verdammen. Unmenschlich, ohne Intimsphäre, herabgewürdigt und nackt. Jetzt zeigte sich, was die Demokratien wirklich wert waren. Nichts mehr, dachte Torben. Nur solange brav dem Wahnsinn des Wachstums gefolgt wurde und eine Minderheit opponierte, konnte alles gut gehen. Doch die Angst der Eliten, ihren Reichtum und ihre Macht zu verlieren, die Kontrolle zu verlieren und den Menschen ihre Selbstbestimmung zu lassen, hatte den letzten moralischen Damm brechen lassen.
»Es ging die ganze Zeit nicht um Zensur, June.« Ein Schatten legte sich über Torbens Gesicht. »Die Umsetzung von Silent Control zielte nicht darauf ab, Verbrechen zu verhindern. Mindvision, Recorded Future, INDECT oder Psyscan, das sind alles nur Teile einer totalen Überwachungsstrategie, Manipulation und Gehirnwäsche.«
June blickte sorgenvoll zur offenen Tür, doch Torben arbeitete unbeirrt weiter
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