Silent Control | Thriller
während des gesamten Flugs von Stockholm nach Washington geschlafen. Erst als die Maschine gegen 15 Uhr auf dem Ronald Reagan Airport gelandet war, hatte sie die Augen wieder geöffnet.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Einreise im diplomatischen Status der CIA nicht auffallen würde, war gering. Das war selbst Kilian klar. Aber sie hatten dadurch genug Zeit, um sich zu verdrücken. Am Fuß der Gangway wartete schon ein Taxi. Ohne Zoll- und Passkontrolle fuhr es los.
»Ins National Security Archive«, sagte Kilian. »Beeilen Sie sich bitte.«
Nova rieb sich verschlafen die Stirn. »Mann, das fällt mir jetzt erst ein. Weiß dein Vater eigentlich, dass du seinen Jet benutzt hast?«
»Der Pilot steht kurz vor der Pensionierung. Er mag mich und wird sich eine Geschichte einfallen lassen. Wahrscheinlich merkt es mein Vater nicht mal. Egal. Ich habe uns im Holiday Inn zwei Zimmer gebucht. Im National Security Archiv finden wir vielleicht eine Spur aus Norris’ Vergangenheit.«
Nova holte eine knisternde Tüte aus ihrer Tasche. »Die Lakritz sind eigentlich für Torben. Er hat doch bestimmt nichts dagegen, wenn ich ein paar davon esse, oder?«
»Träum weiter. Ich glaube nicht, dass wir ihn so schnell wiedersehen. Aber wir müssen ihm helfen, wie auch immer.«
Kauend sah Nova aus dem Fenster. »Und wir können einfach in dieses Archiv spazieren und Staatsgeheimnisse einsehen?«
»Prinzipiell ja«, bestätigte Kilian. »Durch den Freedom of Information Act kann jeder Bürger weltweit an jede Behörde jede nur erdenkliche Anfrage stellen. Natürlich dauert es manchmal eine Weile, bis sie brisante Informationen rausrücken. Und das eine oder andere bleibt sowieso unter Verschluss. Kaum ein Präsident hat zum Beispiel die Kennedy-Akten von der höchsten Geheimhaltungsstufe befreit. Genauso wenig wie etliche Akten der Watergate-Affäre oder Einzelheiten über untergetauchte Nazigrößen. Vielleicht haben wir Glück.«
Das Taxi fuhr in den Nordwesten Washingtons, wo sich auch die George-Washington-Universität befand. Die Autos auf dem Highway hingen Stoßstange an Stoßstange, und so brauchten sie für die sieben Meilen vom Flughafen bis in die 2130 H Street mehr als eine Dreiviertelstunde. Immer wieder zupfte Nova gedankenverloren an ihren roten Haaren.
Endlich hielt das Taxi. Kilian gab dem Fahrer einen Schein.
»Danke, der Rest ist für Sie.« Dann wandte er sich zu Nova. »Wir sind da. Willkommen im Tempel des Wissens.«
Das Erste, was Nova sah, als sie ausstieg, war ein Starbucks Café. Daneben lag der Eingang zur Gelman Library, einem zehngeschossigen Gebäudekomplex, dessen Fassade mit rötlichen Steinplatten verblendet war.
Mit einer ausladenden Geste wies Kilian auf das Haus. »Ist das nicht irre? Hinter diesen Mauern ist das NSA-Archiv untergebracht – rund 75.000 Dokumente aus Anfragen an die CIA, den NSA, die NSC und die NASA. Alles ehemals streng geheime Regierungsdokumente, von der Atompolitik bis zur Terrorismusbekämpfung. Ein echtes Schlaraffenland für alle, die es genauer wissen wollen. Und …«
Nova hatte nur Augen für den Coffeeshop. »Hast du auch so einen Brüllhunger?«
»Okay, so viel Zeit muss sein«, stoppte Kilian seine Eloge. »Jetzt genehmigen wir uns erst mal eine großen Caffè Latte und einen Lachsbagel. Geh schon vor. Inzwischen melde ich mich im Archiv an.«
»Lass mich hier bloß nicht allein!«
Kilian knuffte sie in die Seite. »Hast du etwa jetzt schon Angst? Keine Sorge, ich bin gleich wieder da.«
Damit verschwand er.
Das Archiv lag im siebten Stock der Gelman Library. Es war wenig los, nur ein paar einzelne Besucher saßen in der Lobby. Kilian ging geradewegs zu dem verglasten Empfangsraum, auf dessen Scheiben der Schriftzug des NSA zu sehen war. In dem Raum saß eine übergewichtige Frau mit einer bunt gemusterten Bluse. Sie erhob sich, als sie Kilian auftauchen sah.
»Entschuldigen Sie, wir sind heute unterbesetzt. Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie kurzatmig.
Er überlegte kurz. »Ich hätte gern einen Rechnerplatz. Vielleicht finde ich selbst etwas, bevor ich extra eine Anfrage stelle.«
»Perfekt.« Sie wirkte erleichtert. »Solche Besucher schätzen wir. Sie glauben gar nicht, was wir hier alles zu tun bekommen. Folgen Sie mir.«
Die Unterbesetzung war eine gute Gelegenheit, nicht weiter aufzufallen. Er beschloss, Nova ein wenig warten zu lassen.
Die Dame führte Kilian in einen hellen Saal, in dem die Archivrechner und die Lesegeräte für
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