Silicon Jungle
auswirkten?
Doch Besucher anzulocken war schwierig. Wenn Leute passende Suchbegriffe ins Textfeld irgendeiner Suchmaschine, einschließlich Ubatoo, eintippten, erschien EasternDiscussions normalerweise erst auf der vierten Seite der Trefferliste oder noch weiter hinten, wenn überhaupt. Das bedeutete, dass so gut wie niemand die Website fand, so ansprechend sie auch gestaltet sein mochte. Aber um sie bekannter zu machen, waren ein gewaltiges Werbebudget oder jede Menge User erforderlich. Sie hatte weder das eine noch das andere. Bislang hatten erst sechs Leute auf der Website gepostet. Von diesen sechs Postern waren zwei echt und vier Pseudonyme, hinter denen sich Molly selbst verbarg.
Zusätzlich postete sie unter verschiedenen Namen in anderen Foren über alle möglichen für sie relevanten Themen. In ihren Beiträgen platzierte sie stets einen Link zu einer ähnlichen Diskussion, die sie auf EasternDiscussions fingiert hatte. Sie hoffte, dass wenigstens ein paar Leute diese Links anklickten und sich dann dazu verleiten ließen, eigene Beiträge zu posten.
Ihren ersten Post stellte sie unter dem Namen Sahim Galab ins Netz. Sie orientierte sich an Ausdruck und Ton der gemäßigteren Posts. Sie hätte es auch gar nicht fertiggebracht, einen Post wie den von truthAndDare28 zu verfassen, erst recht in Anbetracht des düsteren Schicksals, das der Junge erlitten hatte.
Eine Konferenz, zu der man Mustafa Kawlia eingeladen hatte, löste in zahlreichen Online-Foren leidenschaftliche Diskussionen aus. Kawlia war die Einreise in die USA verwehrt worden, weil er in Videonachrichten zu heftigen Aktionen gegen die Staaten und Europa aufgerufen hatte. Während sich zahlreiche Stimmen für Mustafas Recht aussprachen, auf der Konferenz sprechen zu dürfen, wurde ihm ebenso häufig Gewalt angedroht, falls er es wagen sollte, amerikanischen Boden zu betreten. Genau diese Leute waren es, die Molly auf ihrer Website brauchte. In drei Foren, in denen über Mustafa Kawlia diskutiert wurde, postete sie Folgendes:
Brüder,
Mustafas Rederecht muss respektiert werden. Alles andere würde nur noch mehr Misstrauen auf beiden Seiten säen. Ich begreife nicht, warum so viele dagegen sind, dass er herkommt. Glaubt ihr, als Muslime können wir nicht selbst beurteilen, ob er für uns spricht? Wofür haltet ihr uns? Ihr könnt euch selbst anschauen, was er in der Vergangenheit gesagt hat ( Video1 , Video2 ). Seine Worte sind aggressiv, aber er hat noch nie zu Gewalt aufgerufen. Ob mit ihm oder ohne ihn, wir müssen selbst entscheiden, welche Aktionen, ob mit Gewalt oder ohne, wir ergreifen. Es ist nicht hinnehmbar, uns diese Entscheidung aus den Händen zu nehmen, und ich fürchte, es lässt uns nur eine Wahl.
– Sahim
Die Werbung für EasternDiscussions war dezent – das musste sie sein, um zu wirken. Die Links Video1 und Video2 führten auf ihre Website, wo Sahim und andere, fanatischere Fantasiefiguren über die Videos diskutierten. Obwohl sich auch die tatsächlichen Links zu den Videos auf ihrer Site befanden, hoffte sie, die Diskussion, auf die die User als Erstes stießen, würde sie dazu animieren, sich in die Debatte zu stürzen und eigene Argumente zu posten.
Es funktionierte, aber nur eingeschränkt. Innerhalb weniger Tage hatte ihre Website zwölf neue reale Besucher zu verzeichnen. Aber die Zahl der Posts hielt sich in Grenzen. Wieso sollte jemand sich die Mühe machen, etwas zu schreiben, wenn keiner da war, der es las? Aber sie war geduldig. Nach einer Woche hatten an einem einzigen Tag achtundvierzig Leute ihr Forum besucht und achtzehn Nachrichten gepostet. Sie war begeistert. Es war zwar nur ein Anfang, aber vielleicht ein vielversprechender. Sie erzählte es Stephen. Aber jemandem, der bei Ubatoo routinemäßig mit Hunderten von Millionen Usern zu tun hatte, konnten Mollys achtundvierzig keine Begeisterungsstürme entlocken. Dennoch, aufgrund dieses Gesprächs kam es einige Tage später zu der Diskussion mit Andrew, und für Molly tat sich ein Weg auf, wie sie an User rankam.
GEDULD
20. Juli 2009.
Gemessen an den Blitzlichtern, Fernsehkameras und der tosenden Menschenmenge hätte die Veranstaltung ohne weiteres mit einer Hollywoodpremiere verwechselt werden können. Dagegen sprach jedoch die Zahl von Polizeibeamten in voller Schutzmontur und die Hautfarbe der Wartenden, die vor dem Eingang Schlange standen. Die tausendfünfhundert Eintrittskarten waren schon vor zwei Monaten ausverkauft
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