Silicon Jungle
bei sich haben.«
Mohammad tat wie geheißen.
»Schick den noch mal durch!«, schrie das Blauhemd.
Und Mohammad ging noch einmal durch den Metalldetektor. Der Wachmann, der ihn angeschnauzt hatte, beobachtete ihn genau. Das Licht blinkte grün. Mohammad schaute stur geradeaus, wandte den Kopf nicht ein einziges Mal in Richtung des Wachmanns, obwohl er sicher war, dass der noch immer jede seiner Bewegungen beobachtete.
Klatsch! Der Wachmann schlug ihm mit der flachen Hand fest auf den Nacken, als Mohammad an ihm vorbeiging. Der laute Knall, als Haut auf Haut traf, ließ den Raum verstummen, und alle schauten gebannt zu, was als Nächstes passieren würde. »Vergessen Sie Ihren Kram da drüben nicht«, sagte der Mann und deutete mit seiner jetzt geröteten Hand auf Mohammads Schuhe. »Nicht dass sie die noch aus Versehen hierlassen.«
Mohammad ging zu dem jetzt lachenden Mann im blauen Hemd hinüber, um seine Sachen zu holen. Die Schlange hinter ihm setzte sich wieder in Bewegung und die Gespräche wurden fortgeführt. Die kühle Luft verdrängte die Erinnerung an den Schlag. Es würde später noch reichlich Zeit sein, um sich mit dem Wachmann, mit dem Mann im blauen Hemd und mit denen da draußen zu befassen. Mohammad war geduldig.
HYPERWACHSTUM
November 2008.
Akademische Ambitionen waren bei Xiao weniger ausgeprägt als sein Wunsch nach Ruhm und Reichtum. Daraus hatte er nie einen Hehl gemacht. Im Gegenteil, er posaunte es bei jeder Gelegenheit heraus. Als er in die Forbes-Liste der vierhundert reichsten Menschen der Welt aufgenommen wurde und dem Wirtschaftsmagazin ein Interview gab, lautete eine der Fragen: »Was bedauern Sie am meisten?« Xiao antwortete, ohne zu zögern: »Dass ich für einen Artikel über die vierhundert Reichsten der Welt interviewt werde, und nicht über die hundert Reichsten.« Und die Vorstandsmitglieder von Ubatoo verliebten sich prompt aufs Neue in ihn. Er war der lebende Beweis dafür, dass der Kapitalismus etwas Ehrenvolles war, wenn er genug Public Relations und Geld im Rücken hatte.
Xiao war die Verkörperung der Silicon-Valley-Erfolgsstory schlechthin. Er war ein massiger, schnell sprechender Mann, dessen Familie in den 1970ern aus Hongkong ausgewandert war. Mit seinen fehlenden akademischen Lorbeeren stand er nicht nur im krassen Gegensatz zu den bei Ubatoo versammelten gelehrten Köpfen, sondern galt auch lange in der Position des Vorstandsvorsitzenden als umstritten. Gleichwohl hatten sein Erfahrungsschatz, sein forsches Auftreten und seine Visionen beim Vorstand Anklang gefunden, und man hatte ihm ein Angebot unterbreitet. Jetzt, nach sieben Jahren als Frontmann von Ubatoo, fragte niemand mehr danach, was er eigentlich nach seinem Highschool-Abschluss gemacht hatte.
Obwohl er schon sechs Jahre mit Xiao zusammenarbeitete, graute Atiq noch immer davor, dessen Büro zu betreten. Die weichen Ledersessel vor dem Schreibtisch waren eine Sonderanfertigung, damit jeder auch noch so Leichtgewichtige tief einsank. Wenn Xiao sich dann in seinen eigenen Sessel setzte, hinter einem imposanten, überdimensionalen, handgeschnitzten Schreibtisch aus dunklem, aus Indien importiertem Holz, stand die Hackordnung im Raum fest. War Xiao gut gelaunt, rückte er die teuren und unsäglich geschmacklosen Nippsachen, die am Rand des Schreibtisches jedem sitzenden Besucher den Blick auf ihn versperrten, netterweise ein Stück beiseite. War er nicht so milde gelaunt, war der sporadische Anblick seiner Augen, wenn er sich vorbeugte, um über den Plunder hinwegzuspähen, das Einzige, was dem Besucher gewährt wurde.
»Atiq, Ihr Quartal ist unglaublich«, sagte Xiao mit einem Lächeln. Er schob die Nippsachen beiseite. »Ihre neue Gruppe ist auf dem besten Weg, dieses Jahr über 220 Millionen Dollar Umsatz zu machen. Das ist ein prächtiger Auftakt für Ihr Touchpoints-Projekt.«
»Danke, Xiao. Wir sind auch ganz begeistert von den Ergebnissen. Und wir haben noch viel mehr für dieses Quartal geplant. Wir haben schon damit ange…«
»Genau darüber wollte ich mit Ihnen reden, Atiq«, fiel Xiao ihm ins Wort. »Stellen Sie sich bloß mal vor, was Sie hätten schaffen können, wenn Sie Ihre Einstellungsziele erreicht hätten. Ihre Gruppe hat eine der höchsten Gewinnmargen in unserem Unternehmen. Mit jedem Dollar, den wir in Sie und Ihre Projekte stecken, holen wir mehr wieder herein als bei jeder anderen Forschungsgruppe hier. Und, wenn Sie Ihre Einstellungsziele nicht erreichen, machen Sie mit
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