Silicon Jungle
»Ben Cappiello, der, mit dem alles angefangen hat.«
Bens Name hatte bei Rob wohl einen pawlowschen Reflex ausgelöst, denn er ließ unvermittelt seinen Löffel fallen, um beide Mittelfinger auszustrecken und einen Strom von obszönen Beschimpfungen abzulassen.
»Ganz genau. Danke, Rob«, sagte Kohan und nickte ihm zu. »Also, ich denke, du kannst dir ungefähr ausrechnen, was dann passiert ist. Ich hab Rob und Andrew geholt.«
Andrew übernahm das Wort. »Das Erste, was Rob macht, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, er brüllt diesen armen Typen wie ein Irrer an. ›Du Schwein! Tolle Fotos von Monica und Claudine!‹«
Andrew klopfte Rob auf den Rücken, ehe er weitersprach. »Ben blickt natürlich überhaupt nicht durch. Und dann hatte Rob seinen großen Moment. Rob, ganz der Charmeur, als den wir ihn kennen, erzählt der versammelten Gästeschar von den Fotos, die Ben verschickt hat – beschreibt haarklein die ganze Website. Ich glaub nicht, dass irgendwer durchgeblickt hat, um was es geht. Da steht er also, der besoffene Idiot, den kein Schwein kennt, und erzählt wütend von den Fotos, den E -Mails und dem kleinen Wettkampf zwischen den dreien.«
Inzwischen hatte Rob ein Grinsen im Gesicht und nickte dümmlich vor sich hin.
»Super«, sagte Stephen. »Da hast du ja bestimmt ein paar nette neue Freunde gefunden.« Obwohl er wusste, dass es nicht fair war, fragte er sich, wie Rob oder auch Andrew es geschafft hatten, bei Ubatoo reinzukommen. Sie mochten ja in ihrem Job genial sein, aber abgesehen davon – unglaublich.
Jetzt erzählte Kohan weiter. »Ich glaube, Ben war total verstört, dass jemand von seinen E -Mails und Videos wusste. Wir mussten Rob da rausbringen, er hatte schon fast Schaum vor dem Mund. Ich hoffe, keiner von denen kommt je dahinter, wer wir sind und wie wir da hingekommen sind.«
»Na ja, ich hab ein paar Leuten auf der Party meine Visitenkarte gegeben«, sagte Yuri. Stille breitete sich aus.
»Was? Wieso, Yuri?«, fragte Rob fassungslos.
»Ich hab auch ein paar Frauen erzählt, dass ich bei Ubatoo arbeite«, gab Andrew zu.
»Hast du etwa gedacht, du könntest Eindruck schinden, weil du Praktikant bei Ubatoo bist?«, fragte Rob gehässig.
Das Gespräch ging eine Weile ohne Stephen weiter. Da sah man wieder, woraus geniale Praktikanten gemacht waren … Sie gehörten zu den wenigen, die die härtesten Aufnahmeprüfungen bestanden, um Zugang zu den hellsten Köpfen, unfassbaren Mengen an Daten und technischen Möglichkeiten zu bekommen – und dann konzentrierte sich ihr genialer Intellekt auf das hier. War er zu alt für so was? Vielleicht. Aber er glaubte eigentlich nicht, dass Alter etwas damit zu tun hatte. Er hatte schon mal eine Gruppe so junger Leute eingestellt und geleitet. Vielleicht waren sie nicht so clever gewesen wie diese vier, aber er konnte sich auch nicht erinnern, von solchen Nächten gehört zu haben. Würden die vier hier die Vorbilder der nächsten Generation von Praktikanten werden? Hatten andere Informatiker ihr Praktikum bei Ubatoo ähnlich verlebt? Er konnte es sich nicht vorstellen, aber andererseits hatte er sich so einiges nicht vorstellen können, bevor er hier anfing. Er wollte nach Hause.
Das Gespräch war noch in vollem Gang. Rob sagte zu Yuri: »Falls hier je einer dahinterkommt, wie wir von der Party erfahren haben, oder noch schlimmer, falls Ben rausfindet, wer wir sind, dann kann er sich auch denken, woher wir seine E-Mails kannten … Das wäre nicht gut für uns.« Rob funkelte Yuri wütend an. »Was meinst du, Stephen?«
Stephen versuchte, Rob nicht allzu zornig anzustarren. »Geschieht euch recht, wenn er es rausfindet.« Das hatten sie offenbar nicht hören wollen. »Jetzt könnt ihr sowieso nichts mehr dran ändern.« Und dann packte er die Überreste seines Abendessens aufs Tablett. Die anderen standen auch auf.
Auf dem Weg nach draußen nahm Yuri Stephen beiseite. »Hättest du Zeit für einen Spaziergang heute Abend? Ich muss mit dir über etwas reden.«
»Morgen wär mir lieber.« Stephens Neugierde war zwar geweckt, aber heute Abend wollte er nur noch zu Molly.
KONTROLLE
17. Juli 2009.
»Ich hab dir so viel zu erzählen«, rief Stephen, sobald er die Wohnungstür nachts um halb eins geöffnet hatte, volle zwei Stunden früher als sonst. Da keine Antwort kam, rief er etwas leiser: »Molly, bist du noch wach?«
Bei dem Versuch, den Schlüssel vorsichtig aus dem Schloss zu ziehen, fiel ihm der ganze Bund aus der Hand und
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