Silicon Jungle
geraten sind, Leute aus der Gegend. Mehr weiß ich nicht. Ich würde ja Sebastin fragen, ob er Genaueres weiß, aber er ist verreist.«
»Das ist ein riesiges Missverständnis. Ich führe doch nur eine Studie durch. Ich habe nicht vor, mich irgendeiner Gruppe anzuschließen, und ich glaube auch nicht an den Kram, der auf meiner Website gepostet wird. Meinst du, ich sollte trotzdem hingehen?«
»Es sind doch gerade solche Missverständnisse, die sie klären wollen.« Stephen gab ihr ein paar Sekunden, um alles sacken zu lassen. »Ich denke, du hast da keine große Wahl. Du musst so viel du kannst in Erfahrung bringen.«
»Denkst du, ich stecke in Schwierigkeiten?«
»Nein, das denke ich nicht. Ich bin sicher, es ist alles halb so wild. Aber in diesem Fall kann man nicht vorsichtig genug sein.«
Jetzt war Molly wütend auf sich selbst. »Nicht zu fassen, dass ich die E-Mail übersehen hab. Was, wenn ich sie nicht mehr rechtzeitig gelesen hätte?«
»So was kann vorkommen. Aber geh auf alle Fälle hin.«
»Danke, dass du hergekommen bist«, sagte sie mit einem sehr deutlichen Stocken in der Stimme. »Du musst mir mal mehr darüber erzählen, was du für die ACCL machst.«
Molly konnte nicht abschätzen, wie schlimm ihre Situation war. Nicht mal Online-Shops, die angeblich ihre Kaufgewohnheiten beobachteten, waren in der Lage, ihr die Musik oder die Bücher zu empfehlen, für die sie sich interessierte. Sollte sie dann Stephens Analyse vertrauen? Jeder IT -Mensch, den sie je kennengelernt hatte, war von seiner Arbeit extrem überzeugt. Doch ihre eigenen empirischen Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass Computermodelle, so hoch entwickelt sie auch waren, niemals das vollständige Bild wiedergaben. Und schließlich hatte Stephen genau das getan – ein Computermodell entwickelt, das aussagt, wie man auf eine Watch List gerät. Vielleicht war seine Analyse ja fehlerhaft. Und überhaupt, inwieweit sollte sie der ACCL trauen? Die konnten auch nicht genau wissen, wie man auf so eine Liste kam und welche Auswirkungen das hatte. Wenn sie den Posts auf EasternDiscussions glauben durfte, dann standen die meisten Teilnehmer der Foren auf etlichen solcher Listen, aber sie posteten weiter und erfreuten sich ihres Lebens.
Stephen hingegen hatte allen Grund, pessimistischer zu sein. Er machte sich Sorgen, Molly mit seiner Analyse in Gefahr gebracht zu haben. Ursache und Wirkung waren nicht mehr klar zu trennen. Rational betrachtet hatte er bloß die Signale nachgeahmt, von denen die ACCL meinte, sie würden von der NSA benutzt. Er war doch nicht schuld daran, dass Molly auf der Liste stand, oder? Was, wenn Sebastin die Liste bereits weitergeleitet hatte? Außerdem gab es vermutlich irgendwo im Netzwerk von Ubatoo eine Sicherungskopie der Datei. Es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendwer darauf stieß. Das Ganze wurde allmählich viel zu real.
KONTROLLE EINMAL ANDERS
6. August 2009.
»Sie haben den Treffpunkt geändert«, rief Stephen verstört.
Nur wenige Stunden vor der vereinbarten Zeit – sieben Uhr abends – wurde das Treffen von Palo Alto nach Milpitas verlegt, Parkstone Way 835. Das kleine einstöckige graue Haus lag zwar nur zwanzig Meilen weiter südöstlich inmitten vieler ebenso kleiner Häuser, doch zwischen dem Parkstone Way mit seinen kaputten Autos und den makellos manikürten Rasenflächen und prächtigen Häusern von Palo Alto lagen Welten.
Stephen hatte Molly rechtzeitig hingefahren, aber für seinen Geschmack nicht früh genug. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 18.43. Sie beschlossen, bis 19.00 im Wagen zu warten und zu beobachten, wer kam oder ging. Je näher der vereinbarte Zeitpunkt rückte, umso unruhiger wurden sie.
Allein hätte Molly trotzig jede Ängstlichkeit überwunden, indem sie sich eingeredet hätte, dass auch das hier einfach Teil ihrer Forschungsarbeit war – bloß ein weiteres Kapitel für ihre Diss. Dass sie beide jetzt dermaßen angespannt waren, daran war Stephen mit seiner Nervosität schuld.
Stephen hob es vor Schreck fast vom Sitz, als sie die Tür öffnete, noch ehe die Uhr auf 18.54 umsprang. Mit nur einem flüchtigen Kuss auf die Wange und einem kühlen »Ich hoffe, es dauert nicht lange« stieg sie rasch aus dem Wagen und ging auf die Haustür zu.
Die Fliegentür war geschlossen, aber die Haustür dahinter stand weit auf – immerhin versuchten sie nicht, irgendetwas zu verbergen. Molly klingelte, kaum dass sie die Tür erreicht hatte. Eine Frau mit dunklem Haar,
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