Silicon Jungle
Zeit wegen des Frühstücks. Meinen Sie, Sie schaffen das in zwanzig Minuten?«
Achtunddreißig Slides in zwanzig Minuten – er hatte für die Präsentation fünfzig Minuten veranschlagt. Die Einführung weglassen. Die Scherze weglassen, die er seit Wochen einstudiert hatte. Die Hintergrundinfos weglassen. Rajive zog nervös an seiner Krawatte, die sich im Hosenbund verfangen hatte, und legte los. Dass er sich gut vorbereitet hatte, kam ihm zugute. Seine Stimme verriet nicht, wie nervös er war.
»Kommen wir gleich zum Kern des Problems. Die NSA , das NCTC , die CIA , das FBI , einfach alle gliedern den größten Teil von dem, was wir an Software brauchen, aus. Ich habe mit elf Wissenschaftlern bei der NSA gesprochen sowie mit je drei leitenden Geheimdienst- und Informationsanalytikern beim FBI und bei der CIA , und keiner von ihnen, nicht ein Einziger konnte mir sagen, welche Analysen stattfinden, sobald abgehörte und aufgezeichnete Telefongespräche in unser System gelangen. Bei E -Mails, die wir abfangen, ist es noch schlimmer. Gentlemen, wir sind sehr gut im Sammeln von Informationen. Aber mit der Analyse von Informationen hapert es gehörig. Wir wissen nicht, was für Analysen durchgeführt werden, wie die Analysen durchgeführt werden oder in welchem Umfang sie durchgeführt werden sollten.«
So, er hatte fünfzehn Minuten seines Vortrags in weniger als einer Minute zusammengefasst. Rajive ließ die Augen durch den Raum wandern, wartete auf das Bombardement von Fragen. Zwei seiner Zuhörer blickten ihn an, zwei weitere waren noch eifrig mit ihren Donuts beschäftigt und der Rest teilte denselben leeren Gesichtsausdruck. Vielleicht war er doch zu schnell gewesen.
»Noch beunruhigender ist, dass die Firmen, denen wir die Analysen überlassen, zwar Niederlassungen in den USA haben, ihr technisches Personal aber fast ausschließlich im Ausland sitzt. Ich möchte das Problem nicht überspitzt darstellen, aber bedenkt man, welchen Nationalitäten die Informatiker angehören, die die Software für unsere Nachrichtendienste entwickeln, kommt man nicht umhin festzustellen, dass wir auf einer politischen Zeitbombe sitzen.«
Endlich eine Reaktion. Alle acht blickten von ihren BlackBerrys, Laptops und zuckerglasierten Fingern hoch.
»Zweitens, wenn Sie bitte Seite 21 in Ihrem Paper aufschlagen würden …«
Er wartete, bis zwei von Ihnen tatsächlich das Paper aufschlugen.
»Das zweite Problem, das mir auffiel, ist Folgendes: Jedes Mal, wenn wir von einem unserer getreuen Outsourcing-Unternehmen Software kaufen, jedes Mal, wenn wir ein neues ›Value Package‹ in Auftrag geben, jedes Mal, wenn wir uns bereit erklären, irgendeinen neuen Algorithmus auszuprobieren, den sie sich haben einfallen lassen, geben wir unsere Informationen preis.«
Rajive wartete ab, ob seine letzte Aussage bei irgendwem Verwunderung auslöste. Er richtete die Augen auf den Mann mit dem Kaffeefleck auf dem Hemd, der als Einziger angemessen verwirrt blickte.
»Auch wenn wir nicht die Rohdaten, die wir über Verdächtige gesammelt haben, rausgeben, müssen Sie eines bedenken: Indem wir Fremdfirmen sagen, an welchen Analysen wir interessiert sind, verraten wir diesen Fremdfirmen zu viel über uns. Wir verraten ihnen, wie wir uns die Überwachung von Leuten vorstellen, wo wir Anhaltspunkte zu finden hoffen, nach welchen Anhaltspunkten wir suchen.« Der Kaffeefleck-Mann sah ihn jetzt aufmerksam an. »Jedes Mal, wenn wir ein Softwarepaket kaufen, jedes Mal, wenn wir dem Anbieter sagen, wie viele Daten wir durch sein System jagen möchten, damit er uns den entsprechenden Betrag in Rechnung stellen oder die entsprechende Rechenkapazität freischalten kann, geben wir etwas davon preis, wie wir geheimdienstliche Informationen sammeln. Irgendwer da draußen wird die Teile zusammensetzen und genau wissen, was wir machen.«
»Jetzt mal langsam, Rajive«, warf Alan ein. »Wir wollen niemanden unnötig beunruhigen. Sie behaupten doch wohl nicht, dass tatsächlich Informationen nach draußen gelangen? Machen Sie bitte deutlicher, was Sie sagen wollen.«
»Alan hat natürlich recht. Von einem direkten Informationsleck kann keine Rede sein. Das behaupte ich nicht. Aber ich behaupte, dass wir ein weit subtileres Problem haben. Schon allein durch den Kauf eines Softwarepakets geben wir zu viel preis. Wenn jemand da draußen weiß, was für Analysen wir durchführen, dann weiß er auch, wie er sie unterlaufen kann.«
»Also, wenn ich Sie richtig
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