Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Hotel!«
»Was?«, fragte Vinzi.
»Ratet mal … Gesichtsruine.«
Beide hoben die Schultern.
»Ein … Furzdrüse, Eiterfresse … Reh.«
»Nein!«, kam entsetzt von Plotek. Klemens erschrak ein wenig. Ließ sich aber nicht davon abhalten, die Geschichte weiter auszubuchstabieren.
»Doch, mitten auf der Straße … Nullchecker!« Klemens verzog wieder das Gesicht, als hätte er unbeschreibliche Schmerzen. »Es ging nicht einfach so umher … Rudelbumser … nein, es saß einfach da und guckte … Tuntenpapst, Arschritze … mitten auf der Straße … Bumsdose … und sah zu mir hoch!«
Der Dünne tippte sich an die Stirn.
»Und war das Reh … tot?«, fragte Plotek.
Klemens lachte.
Der Dünne tippte noch immer und machte: »Hä?«
»Es saß da … Schamhaarbeschwörer … und guckte.« Klemens zeigte auf die Kaffeetasse vor sich. Alle starrten jetzt auf die Tasse, als wäre sie das Reh.
»Als ich vom Pissen zurück war … Furzdrüse … war es weg … Schwachstromelektriker!«
Vinzi warf Plotek einen Blick zu, der vielsagender als Worte war.
»Das gibt es doch nicht!«, sagte Vinzi. »Wie kann denn ein totes Reh …«
»Wer sagt denn, dass es tot war … Eiterfresse, Moppelkotze?«
»Alles in Ordnung?« Frau Pan tauchte plötzlich wieder am Tisch auf. Offenbar von der Lautstärke angezogen. Was zur Folge hatte, dass Klemens seine Phonzahl etwas herunterschraubte, während die anderen mit eindeutigen Kopfbewegungen Frau Pan signalisierten, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Sie verbeugte sich, diesmal aber ohne zu lächeln, und zog wieder ab. Kurzzeitig hing beredtes Schweigen über dem Frühstückstisch. Bis Vinzi das Gespräch wieder aufnahm, indem er ein ganz anderes Thema in die Runde warf.
»Und? Bist du gut vorbereitet?«
»Worauf … Kacke, Spacker?«
»Auf den Contest.«
»Du willst ihn doch gewinnen, oder?«, ergänzte Plotek.
»Arschwabe … klar!« Klemens sah sich um und wusste sicherlich, dass das nicht einfach werden würde.
»Jetzt wo ihr da seid … Pisströte … kann ja nichts mehr schiefgehen … Freibierfresse, Telefongesicht.« Klemens lachte wieder und zeigte dabei seine schadhaften gelben Zähne.
Jetzt muss man wissen, dass sich Klemens’ Tourette nicht nur nachteilig auf das Reden auswirkte. Er konnte es auch beim Singen nicht ganz verbergen. Soll heißen: Klemens hörte sich an wie ein fluchender Elvis kurz vor dem Ausrasten. Oder besser: Elvis unterlegt mit einem Haufen vulgärer Schimpfwörter. »Love Me Tender« wurde zu einem obszönen Gestammel mit Melodie. Abhilfe schaffte da nur das schwäbische Gras von Vinzi. Es war nämlich medizinisch erwiesen, dass das Tetrahydrocannabinol im Marihuana eine beruhigende Wirkung auf Leute mit dem Tourette-Syndrom hatte, sodass Klemens nach ein, zwei Joints die Elvis-Songs fast fehlerfrei und ohne Schimpfwörter über die Lippen und die Bühne brachte. Zumindest hatte er dies eindrucksvoll an der Ostsee bewiesen.
»Und wann fällt die Entscheidung?«, wollte Vinzi wissen.
»Nächstes … Wichswurst, Arschbums … Wochenende.«
»Wenn es denn zu einer Entscheidung kommt«, mischte sich der dünne Mann ein zweites Mal ungefragt ein.
Klemens sah ihn feindselig an. Was den Mann zu einer weiteren Intervention provozierte.
»Na ja, noch sind ja kaum Elvis-Imitatoren da.«
»Es kommen immer mehr … Pisskopf, Darmgeburt.«
»Aber weniger als gedacht«, widersprach der Dünne.
»Warum?«, wollte nun Vinzi wissen.
»Keine Ahnung. Fehlorganisation.« Der Mann sah aus, als wüsste er mehr.
»Ursprünglich wurde mit fast fünfhundert Imitatoren gerechnet. Wenn jetzt hundert kommen, ist es viel.« Er lächelte. »Für den Veranstalter ist das eine Katastrophe. Ausfall der Startgebühr. Mangelndes Publikumsinteresse. Kaum mediale Aufmerksamkeit. Da wird der Veranstalter nicht nur auf seinen Merchandising-Produkten sitzen bleiben, da wird auch …«
»Bumsarsch, Hobelschlunze … es geht doch … Pisswabe … nicht um dieses Scheiß-Merchandising und um die Kohle und … Randsteinbumser … es geht doch um den King.«
Der Mann lachte. Es hörte sich überheblich, auch besserwisserisch an. »Tja, das denken Sie vielleicht mit Ihrem mythenumwabernden Idealismus. Dabei ist mittlerweile alles kommerzialisiert. Elvis Presley ist eine Torte, von der jeder ein Stück abhaben will.«
»Und Sie?«, fragte Vinzi.
Wieder Lachen des Mannes. »Ich pass auf, dass das Stück auch bezahlt wird.«
Unverständliche Blicke von Plotek und
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