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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Stattdessen betroffene Blicke von allen dreien. Als wäre Therapie gleich Tod.
    »Kommt ihr mit?«
    Zaghaftes Nicken von Vinzi. Kopfschütteln von Klemens. Und nervöses Augenzucken von Plotek.
    Auf dem Weg zum Silsersee, der ein wenig außerhalb von Sils Maria lag, wurde Plotek, der Vinzi im Rollstuhl vor sich her schob, von einer Horde feixender Mädchen und zwei Erwachsenen überholt. Die meisten Mädchen hatten Kopfhörer auf den Ohren, Kaugummis im Mund und sahen aus, als wollten sie zu einem Miss-Wettbewerb für Newcomer aus der Provinz. Nur die Langlaufski auf den Schultern passten nicht so recht ins Bild. Die Erwachsenen wiederum, offenbar Lehrer, wirkten reichlich überfordert und schienen den pubertierenden Gören in keiner Weise gewachsen.
    »Clarissa, bitte, wie oft denn noch? Ich hab doch gesagt, du sollst nicht immer auf der Rebekka rumhacken«, rief einer der beiden in die Menge.
    »Wenn der Dreitonner doch so endblöd ist«, kam von Clarissa zurück, während die anderen hämisch lachten, garniert mit Begrifflichkeiten wie »Intelligenzallergiker!«, »Kernassi!«, »Loser!« oder »Opfer!«.
    So lange, bis eines der Mädchen alle anderen übertönte und schrie: »Schaut mal, ein Behindi mit Gesichtsfasching und Weizenspoiler!«
    »Anna-Lena!«
    Anna-Lena zeigte auf Vinzi, als wäre er nicht beinamputiert, sondern tot.
    »Anna-Lena!«, kam erneut von einem der Lehrer, jetzt noch strenger, während sich der andere mitleidsvoll an Vinzi wandte: »Entschuldigen Sie bitte.«
    Was Vinzi wiederum überhaupt nicht leiden konnte. Mit Mitleid konnte man ihn jagen. In diesem Moment war ihm das hämische Gegrinse von Anna-Lena, Clarissa und den anderen vermutlich lieber als die betroffenen Blicke. Sogar Rebekka lächelte verschämt und war jetzt Teil der Gruppe.
    »Willst du mal anfassen, du Stino?« Vinzi wackelte mit den Stümpfen. »Ist voll krass analog und bringt vierlagig Glück.«
    »Iih!«
    »Anna-Lena!!!« Jetzt beide Lehrer gleichzeitig.
    Kichern, tuscheln und »Hä, hä, hä! Endgeil, krass, boah, ey« von den Mädchen, während Vinzi mit Kusshänden um sich warf.
    Als Plotek und Vinzi am völlig zugefrorenen Silsersee an der von Dr. Wehrli beschriebenen Stelle ankamen, war nirgendwo ein Loch im Eis zu sehen.
    »Verdammt!«
    »Der hat dich verarscht!«
    Plotek schob Vinzi im Rollstuhl auf den See. Ein paar Meter vom Ufer entfernt war tatsächlich eine Vertiefung, die mit viel Fantasie an ein Loch erinnerte. Daneben lag ein Pickel mit einer Kette, die an einem ins Eis gerammten Stab hing.
    »Tja, dann fröhliches Pickeln!«, sagte Vinzi und lächelte schadenfroh.
    Plotek griff nach dem Pickel und hackte auf das Eis ein. Immer besessener und so lange, bis ihm der Schweiß nicht nur auf der Stirn glänzte, sondern den kompletten Körper mit einer dünnen Schicht überzog. Als seine Beine schon ganz weich und schwabbelig wurden, durchstieß er endlich die Eisfläche. Vinzi saß noch immer im Rollstuhl daneben, beobachtete genau, was Plotek da trieb, und applaudierte schließlich.
    Das Erfolgserlebnis wurde aber schnell wieder relativiert, als die beiden mit Entsetzen feststellten, dass nicht weit vom Loch entfernt auch die Schulklasse zugange war. Die Langlaufskier an den Füßen, kreischten die Anna-Lenas und Clarissas auf dem See herum. Plotek bestückte den Angelhaken mit einem Köder und ließ die Schnur, unter dem skeptischen Blick von Vinzi, im winzigen Eisloch verschwinden.
    »Wenn die so schreien, fängst du aber keinen Fisch.« Er deutete zu den Mädchen, die noch immer johlten und jauchzten, als wären sie keine Skiläufer, sondern hysterische Groupies derselbigen.
    »Da werden nicht nur die Menschen, sondern auch die Fische ganz närrisch.«
    Vinzi steckte sich einen Joint an. »Vielleicht solltest du dir eine andere Stelle suchen.«
    »Sehr witzig. Noch so ein Loch, und das Angeln erübrigt sich.«
    Vinzi lächelte wieder und qualmte genüsslich vor sich hin.
    »Kannst du mal halten?«, fragte Plotek nach einer Weile, als noch immer kein Fisch anbeißen wollte.
    »Ich?«
    »Ich muss mal. Der Tee treibt«, sagte Plotek.
    »Welcher Tee?«
    »Der chinesische Heiltee. Mir zerreißt es gleich die Blase.«
    Also hielt Vinzi, noch immer im Rollstuhl sitzend, die Rute, während Plotek die Büsche am Ufer aufsuchte. Da pisste er in hohem Bogen und mit dampfendem Strahl in den Schnee. Es dampfte nicht nur, der Schnee verfärbte sich auch goldgelb und schmolz. Darunter kamen aber keine Grasbüschel zum

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