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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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dem Babyfon, wie jemand das Zimmer, in dem der Junge lag, betrat. Die High Heels von Selina klackten auf dem Boden wie Pistolenschüsse. Hernach war leise die Stimme von Selina zu hören.
    »Ist gut, schlaf schön weiter, mein Schatz!«
    Das Kind verstummte tatsächlich.
    Aus dem Babyfon kam nichts mehr. Als Vinzi und Plotek schon nicht mehr damit gerechnet hatten, hörten sie schließlich doch noch, wie ganz leise vertraute Töne aus dem kleinen Plastikteil drangen. Sie erschraken. Eine Melodie war zu hören. Eine Spieluhr. Aber nicht lange. Sofort schaltete Dr. Wehrli das Babyfon auf dem Tisch aus.
    Dennoch hatte es gereicht, um die Musik wiederzuerkennen. Plotek und Vinzi sahen sich verwundert an. Beide schienen dasselbe zu denken.
    Vinzi nahm einen Kugelschreiber aus der Tasche und schrieb etwas auf einen Bierdeckel. Er steckte ihn Plotek zu. Der schob den Bierdeckel unbeobachtet in seine Hosentasche und verließ den Tisch.
    Draußen auf der Terrasse des Hotels holte er den Bierdeckel aus der Hosentasche. Darauf stand: Schubert. Er hatte sich also nicht verhört. Die Spieluhr, die Selina aufgezogen hatte, um ihren Sohn zu beruhigen, hatte dieselbe Melodie wie die, mit denen die Elvis-Imitatoren umgebracht worden waren.
    Zufall? Es gibt keine Zufälle, dachte Plotek. Oder eher selten.
    »Und?« Hinter ihm tauchte Vinzi im Rollstuhl auf.
    »Ja«, sagte Plotek. » Wiegenlied .«
    »Glaubst du dasselbe wie ich?«
    »Denk schon.«
    »Verflucht!«
    »Kann man wohl sagen!«
    Von der schneebedeckten Wiese vor der Terrasse waren Stimmen zu hören.
    »Bitte, bitte, nein, nein, Mami!« Das war Jagoda Muuse. Bei ihm stand seine Mutter, die ihm mit der flachen Hand ein paar Ohrfeigen verpasste. »Nein, Mami, ich mach’s nie wieder, ehrlich, bitte, nein!«
    Jetzt trat die kleine, sehnige Mutter mit den Füßen auf ihren Sohn ein.
    »Meinst du, der hat ein Verhältnis mit seiner Mutter?«, fragte Vinzi, während Plotek noch überlegte, ob er dem Mann nicht zu Hilfe eilen sollte.
    »Zumindest scheint sie ähnlich dominant wie die von Matteo Wehrli.«
    »Dominante Mütter treiben ihre Söhne ins Verbrechen«, war Vinzi überzeugt.
    Plotek hingegen war sich noch nicht ganz so sicher.
    »Die Elvis-Imitatoren tötet Wehrli stellvertretend für den Liebhaber seiner Mutter«, analysierte Vinzi.
    »Hä?«
    »Den Elvis-Fan!«
    Die Mutter von Jagoda Muuse schleppte ihren Sohn im Schwitzkasten hinter sich her und verschwand mit ihm, während er weiter »Bitte, Mami, nein« flehte, um die Ecke des Hotels.
    »Womöglich sperrt sie ihn jetzt in den Schrank!«
    »Bei Wasser und Brot.«
    Beide lachten.
    In der Hotelhalle lehnte noch immer das Bild von Jagoda Muuse an der Wand.
    Es sieht von Weitem betrachtet gar nicht so scheiße aus, dachte Plotek.
    »Aber je näher man kommt, umso beschissener wirkt es«, sagte Vinzi, der sich offenbar in ähnlichen Gedankengängen tummelte.
    Sie traten nun tatsächlich näher an das Bild heran.
    »Finde ich nicht!«, sagte Plotek. »Von nah betrachtet ist es ansehnlicher. Konkreter.«
    »Hmm.«
    Als Plotek dann noch näher an das Bild heranging, lösten sich die abstrakten Formen komplett auf und wurden zu konkreten Gegenständen.
    »Ein Zweig, ein Stuhl, ein Schuh … eine Hand!«, rutscht e es ihm heraus.
    »Was?«
    »Sag mal, spinn ich, oder ist das …« Plotek stockte.
    »Was?«
    »Da!« Er zeigte mit dem Finger auf die untere rechte Ecke.
    »Siehst du das auch?«, fragte Plotek, unklar, ob das Gesehene wieder eine Sinnestäuschung und seiner Fastenkur geschuldet war. Oder doch real. Vinzi fuhr mit seinem Rollstuhl ganz nahe an das Bild heran.
    »Das ist eine Hand«, sagte er, wie man sagt: »Das ist real!«
    Plotek nickte. Die Hand von einem Menschen, kaum zu sehen, weil zum Teil vom Schnee bedeckt.
    »Und daran hängt sicher auch der Rest.«
    »Vom Menschen.«
    »Außerhalb des Bildes.«
    »Auf der Wiese. Vom Schnee verdeckt.«
    »Eine weitere Leiche.«
    »Ein Kältetoter.«
    »Womöglich.«
    »Oder ein ermordeter Elvis.«
    »Verdammt.«
    »Ja.«
    »Soll sich mal die Frischknecht drum kümmern.«
    »Genau.«
    Tat sie dann auch. Und tatsächlich. Unter dem Schnee auf der Wiese fand sich ein weiterer nackter Kältetoter. Was die Hauptkommissarin Frischknecht ein wenig erleichterte. Ihr waren Kältetote eindeutig lieber als ermordete Elvisse, das hatte Plotek ja schon durchschaut.
    Britta wankte über den Parkplatz. Sie sah aus, als hätte sie ordentlich einen im Tee. Vinzi saß im Rollstuhl vor dem

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