Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
nehmen!« Es klang wie ein Befehl. Wie die Mutter von Matteo als Freisler vom Volksgerichtshof.
»Sei ruhig, Britta, bitte!« Er hielt ihr den Mund zu. Sie machte sich aber wieder frei.
»Ich will, dass du jetzt mit mir schläfst.« Wieder dieser fordernde Ton.
»Wie soll das gehen, hier …«
Noch ehe Dr. Wehrli den Satz zu Ende bringen konnte, zeigte es ihm Britta schon.
Kleider raschelten, und Plotek sah, nun mit dem Auge am zugigen Schlüsselloch, wie Britta vor dem Doktor auf die Knie ging und sich mächtig ins Zeug legte, um den kleinen Doktor richtig groß zu kriegen. Was aber irgendwie nicht ganz gelingen wollte. Dr. Wehrli schien nicht in bester Verfassung zu sein. Kaum hatte Britta angefangen, musste sie schon wieder aufhören.
»Es geht nicht«, sagte Dr. Wehrli, stieß Britta von sich, schloss seine Hose und verließ fluchtartig den Waschraum. Auf dem Flur fiel er über Plotek, der nun zu Boden ging und sich den Kopf an der Wand stieß.
»Entschuldigung«, nuschelte Dr. Wehrli und verschwand.
»Verdammt!« Plotek richtete sich wieder auf. Er hielt seinen Kopf, an seiner Stirn zeichnete sich eine Beule ab.
Jetzt kam auch Britta aus dem Waschraum gestürmt. Mit verheulten Augen. Auch sie stieß mit Plotek zusammen. Das war jetzt wie in einem Slapstick-Film. Nur schmerzhafter. Für Plotek. Das zweite Mal ging er nicht zu Boden. Dafür landete Britta in seinen Armen. Als hätte sie nur auf eine Schulter gewartet, brach es aus ihr heraus. Sie heulte wie ein Schlosshund und nässte Ploteks Hemd voll.
»Er liebt mich nicht«, kam schluchzend aus ihrem Mund.
»Doch!« Plotek sagte es einfach so, ohne lange darüber nachzudenken.
Britta sah ihn an, als wäre er nicht Paul Plotek, arbeitsloser Schauspieler auf Kuraufenthalt in Sils Maria, sondern der Heiland, Gottes Sohn zurück auf Erden. Da lag die Erwartung ziemlich hoch. Musste Plotek natürlich nachlegen. Machte er dann auch und packte eine seiner gerade im Moment kreierten Weisheiten aus.
»A ber mit der Liebe ist es wie mit Straßenkötern. Manc hmal kacken sie auf den Bürgersteig, und man tritt mehrmals hintereinander hinein. Mit den besten und neuesten Schuhen, die mit dem tiefen Profil. Und dann sehen sie einen wieder an, und in ihren Augen spiegelt sich ein Sternenhimmel für die Ewigkeit.«
Britta schaute ihn an, als hätte der Heiland zwei, drei Joints zu viel geraucht.
Erst jetzt bemerkte Plotek, dass Britta ziemlich betrunken war. Ihre Augen glänzten, das Dekolleté ebenso. Noch immer drückte sie sich fest an ihn.
»Ja, er liebt mich, aber er kann diese Liebe nicht zulassen. Auch wenn diese Schlampe ihn nicht liebt, noch nie geliebt hat, will er sie um keinen Preis aufgeben.«
Welche Schlampe?, hätte Plotek denken können. Musste er nicht. Er wusste es auch so.
»Dabei betrügt sie ihn nach Strich und Faden.«
»Wie wollen Sie das wissen?«, fragte Plotek, und Britta sah ihn an, als wüsste sie noch viel mehr.
»Leandro ist nicht sein Kind«, sagte sie so leise, dass es kaum zu verstehen war.
»Was, wie wollen Sie das …« Plotek flüsterte nun ebenfalls.
»Er hat herausgefunden, dass sein Sohn nicht von ihm stammt. Ich wusste, dass die Schlampe ihn betrügt. Ich wusste es schon immer.«
Ich auch, dachte Plotek.
»Aber mir glaubt er ja nichts.«
»Na ja, er betrügt sie ja auch«, sagte Plotek, als wäre dadurch Gleichstand.
»Wer?« Britta schien überrascht.
»Na ja, Dr. Wehrli seine Frau«, kam von Plotek, wie man sagt: »Vater unser und der Heilige Geist.«
»Das ist was anderes. Das ist Liebe!«
»Hmm«, machte Plotek und fragte dann: »Von wem ist denn dann Leandro?«
»Mir egal.« Es klang trotzig. Und wieder fing Britta an zu weinen und nässte Ploteks Schulter voll. »Und alles wegen seiner Mutter.«
»Wie das denn?«
»Die Alte ist doch an allem schuld.«
»Woran?«
»Dass er diese kleine Schlampe geheiratet hat. Die Klinik, alles. Er ist doch total abhängig von ihr. Wenn sie auftaucht, wird Matteo zu einem kleinen Buben. Das war schon immer so. Der Drache bringt ihn noch um!« Wie ein Sturzbach fielen die Worte aus ihrem Mund. »Und jetzt noch diese ganze Elvis-Scheiße.«
»Was hat denn das damit zu tun?«
»Das ist doch einzig und allein auf dem Mist der Alten gewachsen.«
»Und von Beat«, sagte Plotek.
Woraufhin sich Britta ein winziges Stück von ihm wegdrückte.
»Quatsch, der ist doch nur ihr Lakai. Ich habe Agatha abgeraten von dem. Aber sie hört ja nicht auf mich.«
Noch eine mehr,
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