Silver Dragons 01 - Ein brandheisses Date
Beziehungsweise, mein Körper ist dort. Ich kann mich in der Traumwelt bewegen, aber ich kann hier nicht interagieren. Meine Mutter meinte, das läge daran, dass ich halb Drache bin.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann zwar nichts berühren, aber ich kann dich begleiten.«
»Siehst du Cyrenes Spuren?«, fragte ich und zeigte auf den Boden.
Er blinzelte. »Schwach. Du siehst hier irgendwie anders aus.«
»Anders? Tatsächlich?«, fragte ich erschrocken. Mir war klar, dass die meisten Dinge von der Schattenwelt aus gesehen anders wirkten, aber ich war Teil dieser Welt – ich dürfte eigentlich nicht anders aussehen. »Wieso?«
»Du hast einen Schimmer um dich. Eine Art silbernes Leuchten.« Er lächelte. »Es ist das Zeichen dafür, dass du Teil meiner Sippe bist. Es gefällt mir, dass sich das bei dir als Aura zeigt.«
Ich blickte auf meine Arme. »Du lieber Himmel, du hast recht! Ich bin May, die wundersam Leuchtende. Wie merkwürdig … aber wir haben jetzt leider keine Zeit, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Cys Spur verblasst langsam.«
Er nickte und bedeutete mir weiterzugehen. Seine Anwesenheit wirkte beruhigend auf mich, auch wenn er nicht substanziell vorhanden war. Da wir Cyrenes Spur folgen mussten, konnten wir kein Taxi nehmen und waren gezwungen, eine beachtliche Strecke zu Fuß zurücklegen. Etwa eine Stunde später gelangten wir zu einem heruntergekommenen Hotel in einer Seitenstraße von King’s Cross. Zwischendurch hatten wir die Spur ein paarmal verloren, weil Cyrene anscheinend irgendwann in ein Auto gestiegen war, aber da wir zu zweit waren, fanden wir sie immer wieder.
»Geh nicht hinein, mein kleiner Vogel!«, warnte Gabriel mich, als ich das Hotel von außen musterte. Es wirkte eher wie eine Absteige und wurde offensichtlich eher von Fixern oder Alkoholikern frequentiert. »Es könnte gefährlich sein, und ich kann dir in dieser Gestalt nicht helfen. Warte am besten hier draußen, bis ich körperlich hier bin.«
»Einer der Vorteile des Schattengehens ist die Fähigkeit, sich umschauen zu können, ohne dass jemand es merkt«, erwiderte ich und knackte das Türschloss. Es ging widerstandslos auf, als ob sich die Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit, die das Gebäude ausstrahlte, auch auf das Schloss übertragen hätte.
Gabriel gefiel das Ganze nicht, aber er schwieg, als wir eine schmale Treppe hinaufhuschten. Auf der einen Seite war ein kleiner Raum, der als Lobby und Rezeption diente, aber es war niemand da. Überall auf dem Boden lag Abfall verstreut – leere Flaschen, Fast-Food-Schachteln, zerknüllte Zigarettenpäckchen und zerfledderte Pornomagazine … Es roch nach kaltem Rauch und Urin, nach Mäusekot und anderen Gerüchen, deren Ursprung ich lieber nicht ergründen wollte. Auch hier war Cyrenes Spur nur sporadisch zu erkennen, als sei sie die Treppe hinaufgezerrt worden. Vor einer Tür im zweiten Stock waren ihre beiden Fußabdrücke jedoch klar und deutlich zu erkennen.
Ich blickte Gabriel an. »Kannst du durch Wände gehen?«, flüsterte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann weder interagieren noch durch feste Substanzen gehen. Die Tür muss geöffnet werden, damit ich hineingehen kann.«
»Dann werde ich diese Tür eben öffnen müssen.«
»May …« Er runzelte die Stirn. »Das gefällt mir nicht. Du solltest warten, bis ich dir zu Hilfe kommen kann. Dieser Erpresser ist offensichtlich gefährlich. Du könntest verletzt werden.«
Bei seinen Worten stieg ein warmes Gefühl in mir auf. Noch nie hatte sich jemand Sorgen um mich gemacht, wenn ich einen Job erledigen musste – Cyrene schien es gar nicht erst in den Sinn zu kommen, dass mir etwas passieren könnte, und Magoth … na ja, Magoth war es egal, solange ich den Auftrag erfolgreich ausführte.
»Wenn du körperlich hier wärst, würde ich dich die ganze Zeit küssen, und wir kämen nie dazu, Cy zu retten«, sagte ich lächelnd zu ihm. »Keine Sorge, sobald die Tür auf ist, werde ich wieder zum Schatten. Hier im Flur ist es dunkel genug.«
Mit besorgtem Blick beobachtete er mich, als ich die Tür aufschloss.
»Nun, wir haben uns wohl umsonst Gedanken gemacht«, sagte ich einen Augenblick später, als Gabriel sich neben eine leblose Gestalt auf dem Boden hockte. »Ist er tot?«
»Ich glaube schon. Ich kann kein Lebenszeichen entdecken, aber ich müsste ihn anfassen, um es mit Sicherheit sagen zu können.«
Ich stieß die Leiche mit dem Fuß an und drehte sie auf den Rücken. » Agathos
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