Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
länger als in der kurzen Zeit, die er an der St Dewi’s unterrichtet hatte, und sie waren vom Regen gekräuselt, was einen Kontrast zu seiner Kleidung eines perfekten Gentleman bildete.
»Ein Vampir, der in der Lage ist, aus der Ferne einzugreifen …«, murmelte er. »Es könnte sich um einen Wächter des Ordens handeln.«
Und nicht irgendeiner … , dachte er bei sich. Das war eine Fähigkeit, die nur wenige Soldier besaßen, doch deren Aufgabe bestand auf keinen Fall darin, mit einem abstrusen Trio im Schlepptau durch die Stadt zu patrouillieren.
Und vor allem nicht, während in der Loge die Feierlichkeiten der Initiation stattfanden.
Und dennoch schien es nicht wahrscheinlich, dass der Orden ihnen bereits auf den Fersen war. Sie waren sehr vorsichtig gewesen, um keine Spuren zu hinterlassen, auch wenn dies bedeutete, wertvolle Zeit zu verlieren.
»Und was hast du zu berichten über das, was wir suchen?«
»Wir sind vielleicht auf neue Spuren der Corona Argentea gestoßen.«
Er sprach den Namen mit einem leicht argwöhnischen Zaudern aus. Crow war ein Mann der Tat, er fühlte sich unbehaglich im Umgang mit Talismanen und Amuletten.
Vaughan dagegen gönnte sich ein aufrichtiges Lächeln.
D er Raum war lichtdurchflutet an diesem strahlenden Tag, wie Winter noch keinen auf der Shetlandinsel erlebt hatte. Die Sonnenstrahlen brachen sich an den Wellen der Nordsee und fielen durch das weit geöffnete Fenster.
Bethan Davies war vollständig in das Licht getaucht, als sie im Zimmer auf und ab schritt. Winter dachte, dass die seltsame Atmosphäre gut zu der legendenartigen Geschichte passte, die sie ihr erzählte.
»Es wird berichtet, dass Hereward von Canterbury und eine Vampirin, Rowena von Caithness, Anfang des 9. Jahrhunderts auf den Britannischen Inseln den Rat der beiden Geschlechter begründet haben«, erklärte die Frau.
Winter schaute sie verblüfft an. »Ich dachte, der Rat sei vor knapp sechzehn Jahren ins Leben gerufen worden.«
Pure Entrüstung stand Bethan im Gesicht. »Um Himmels willen, nein! Was meinst du, wie wir es sonst bis heute geschafft hätten? Der Rat existiert seit mehr als tausend Jahren.«
»Und wieso gibt es dann den Pakt erst seit Kurzem? Waren früher keine Gesetze nötig?«
»Es ist eine Schande, dass du so wenig über deine Geschichte weißt. Fennah und Lochinvar hatten kein Recht, dich über alles im Dunkeln zu lassen … Die Gesetze hat es immer gegeben, mein Kind. Der Pakt hat keine Regeln aufgestellt. Er hat bloß alle erneut in die Pflicht genommen, sie zu respektieren, ungeachtet dessen, was passiert ist.«
Winters Gesicht verdüsterte sich.
»Ungeachtet meiner Existenz …«, präzisierte sie freudlos.
Die Frau seufzte und fragte sich, wie sie das Mädchen trösten konnte.
»Deine Eltern trifft keine Schuld«, sagte sie schließlich. »Sie waren nicht die Einzigen, die das Gesetz gebrochen haben, und viele vor ihnen haben es aus wesentlich niedrigeren Beweggründen als Liebe getan. Wahrscheinlich war es einfach Schicksal, dass es geschehen musste.«
Winter schwieg lange.
»Wo ist der wahre Sitz des Rats?«, fragte sie dann in einem unbeholfenen Versuch, das Thema zu wechseln. »Im Kerker?«
»In der edlen Gesinnung unserer Seelen«, antwortete Bethan automatisch. Dann lächelte sie unglücklich. »Doch dies ist nur eine Formel, die man dir von Kind an beibringt, wenn du zu den Familien oder den Vampiren gehörst. Es bedeutet, dass unabhängig von Orten und Symbolen wir selber das Wesen des Friedens leben müssen. Die Gründerväter hatten in Westminster ein Gebäude errichtet, aber es wurde zerstört und es gab immer mehrere Ratssitze. Fennah ist walisischer Herkunft, deshalb kam der Rat viele Jahre lang in Ger Y Goeden zusammen.«
Das war die niedergebrannte Burg, von der sie Fotos in einer alten Zeitung gesehen hatte, erinnerte Winter sich.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»In den Büros der Ratsältesten«, antwortete Malcolm Dougall, der draußen ans Fenster getreten war. »Der Wohnsitz von Fennah in Swansea und Lochinvars kleine Insel vor Argyl an der schottischen Küste.«
Er stellte sich mit dem Rücken zum Fenster, stützte sich mit beiden Händen auf und schwang sich mit einem eleganten Sprung auf das Fenstersims. Er trug einen verblichenen schwarzen Strohhut, dessen Krempe auf einer Seite etwas herunterhing, und ein kurzärmeliges, cremefarbenes Hemd. Insgesamt sah er aus wie ein Tourist auf Goa, und Winter musste ein Lächeln unterdrücken.
»Die
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