Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
in seinen Venen, erfüllte sie mit ihrer brennenden MACHT. Und sogar die Verdammnis war leicht zu ertragen.
»Ich habe keine Wahl, mein Liebling«, murmelte er ganz leise.
Dann holte er Luft und stieg langsam die Stufen hinab.
Mit jedem Schritt führte die Treppe sie weiter in die Tiefe, Stufe um Stufe näher zur Hölle.
Tränen trübten Winters Blick. Sie musste ihn aufhalten.
Was hast du vor, Rhys?
Sie hoffte, die schreckliche Höllenfahrt würde nie ein Ende finden. Sie wollte nicht erfahren, was sie unten erwartete.
»Bleib stehen«, flehte sie. »Ich bitte dich.«
Doch ihre Stimme prallte an Rhys’ Barriere ab. Er konnte sie nicht hören.
»Störe ich, Sir?«, fragte Rhys, und der harte Ton stand im Widerspruch zu den freundlichen Worten.
Alaric Lochinvar fuhr zusammen, er hatte ihn nicht eintreten gehört. Die Verblüffung verschwand jedoch beim Anblick von Rhys’ Gesicht. Der Großmeister richtete sich auf seinem Stuhl auf, ließ sich nicht erschüttern, obwohl Rhys genau wusste, dass er es hasste, wenn er beim Nachdenken gestört wurde.
»Mein lieber Junge, es ist verblüffend, was du zustande bringst.«
Rhys kam auf ihn zu, durchquerte das Sakrarium mit einem angedeuteten Lächeln auf den Lippen. Es lag etwas Symbolisches in seiner Anwesenheit an diesem Ort.
»Sie haben recht«, erwiderte er ohne falsche Bescheidenheit.
Die Wache neben dem Sitz stellte sich in Positur und schaute mit wenig Sympathie auf den Jungen herab.
»Geh nur, mein Freund«, beschwichtigte Lochinvar den Wachposten. »Mein Nachfolger darf mich immer besuchen, wenn er es wünscht.«
Der Wachposten war einer der jüngeren Soldier. Er trug keine Uniform, aber auf dem dunklen Kragen seines Hemds war eine kleine weiße Stickerei sichtbar.
Rhys sah zu, wie er sich entfernte, und sandte seinem Vater eine lautlose Nachricht. Alles würde wie geplant vollbracht werden.
»Nun, worüber wolltest du mit mir reden, Rhys?«
Langsam wandte der Junge seinen intensiven Blick wieder dem alten Mann zu.
Verwunderung durchzuckte Lochinvar ganz kurz, als er Rhys’ Gesichtsausdruck wahrnahm. Er war hart, distanziert.
»Über die Zukunft, Sir.«
»Hast du Fragen an mich?«
Rhys näherte sich dem Stuhl. Er bewegte sich ungezwungen, ohne jede Spur des bescheidenen, respektvollen Auftretens, das er bisher an den Tag gelegt hatte.
»Ja. Ich möchte wissen, was Sie mit Winter vorhaben.«
Der Großmeister lächelte. »Ah, die Liebe der jungen Leute …«
Rhys gab sich keine Mühe zu verbergen, dass er sein Amüsement nicht teilte.
»Ich kann dich beruhigen«, meinte Lochinvar dann. »Im Moment habe ich gar nichts vor. Ich erwarte nichts von der jungen Starr, ich will nur sichergehen, dass ihre Kräfte weder ihr selbst noch anderen Schaden zufügen.«
Die rötliche Färbung in den Augen des Jungen blitzte vor Wut. »Sie haben bereits getan, was Ihnen dienlich war, richtig? Sie haben die Mission zu Ende geführt, derentwegen Sie erlaubt haben, dass Winter geboren wurde.«
Lochinvar breitete die Arme aus. »Na, na, welche Feindseligkeit, Rhys … Ausgerechnet du, der einen so großen Vorteil daraus zieht!«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Sie irren, Sir. Dies ist noch nicht mal der Anfang. Ich habe Ihre Pläne unterstützt, ich bin da, wo Sie mich haben wollten, und damit glaube ich, etwas mehr Aufrichtigkeit zu verdienen.«
Er sah ihn scharf an und Lochinvars Gesicht verdüsterte sich.
»Warum willst du Antworten, die du bereits kennst?«, erwiderte er. »Was hast du in den vergangenen Monaten herausgefunden?«
»Einiges.« Rhys berührte quasi unbeabsichtigt das Schwert des Ordens. »Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Sie Winter nach ihrer abgeschlossenen Unterweisung freilassen werden.«
Der Großmeister zog nur die Augenbraue hoch und wartete, dass der Junge fortfuhr.
»Es wäre in der Tat dumm von Ihnen, auf eine so wertvolle Geisel zu verzichten. Ich jedenfalls würde es nicht tun, wenn ich damit die Möglichkeit hätte, eine Waffe zu kontrollieren, die ich mit so viel Mühe in meine Gewalt gebracht habe. Denn Winter und ich sind der Schlussstein Ihrer Macht, Sir, so viel ist klar.«
»Ihr seid die Friedensgarantie«, entgegnete Lochinvar. »Wenn ich nur MACHT wollte, hätte ich selber ihr Blut getrunken.«
Schneidend hallte das Gelächter des Jungen zwischen den Säulen wider.
»Das hätten Sie vor hundert Jahren tun können. Aber jetzt sind Sie zu alt, um eine derartige MACHT auszuhalten. Es würde Ihren Körper
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