Silver Linings (German Edition)
ich denn so über Tiffany denke.
«Gar nichts», sage ich. «Ich denke überhaupt nichts über Tiffany. Wieso?»
«Veronica hat mir erzählt, dass Tiffany dir folgt, wenn du läufst. Stimmt das?»
Ich fange einen eiernden Pass, sage: «Ja. Das ist ziemlich seltsam. Sie weiß immer, wann ich laufe und so», und ich werfe einen perfekten Spiral genau über Ronnies rechte Schulter, damit er den Ball im Laufen fangen kann.
Er dreht sich nicht um.
Er läuft nicht los.
Der Ball fliegt an ihm vorbei.
Ronnie holt ihn, trabt zurück auf seine Position und sagt: «Tiffany ist ein bisschen schräg. Verstehst du, was ich mit schräg meine, Pat?»
Ich fange seinen noch stärker eiernden Pass, kurz bevor er meine rechte Kniescheibe treffen kann, und sage: «Ich glaub schon.» Ich weiß, dass Tiffany anders ist als die meisten Frauen, aber ich weiß auch, wie es ist, von deinem Ehepartner getrennt zu werden, und das ist etwas, wovon Ronnie keine Ahnung hat. Also frage ich: «Inwiefern schräg? Schräg wie ich?»
Seine Miene wird ernst, und dann sagt er: «Nein. So hab ich das nicht … Ich meine bloß … Tiffany ist in Therapie.»
«Das bin ich auch.»
«Weiß ich doch, aber …»
«Und dass sie in Therapie ist, macht sie schräg?»
«Nein. Hör mir einfach mal eine Sekunde zu. Ich versuche hier, dein Freund zu sein. Okay?»
Ich blicke nach unten auf den Rasen, als Ronnie zu mir rüberkommt. Ich will eigentlich nicht hören, wie Ronnie sich rausredet, weil er der einzige Freund ist, den ich habe, und ich jetzt nicht mehr an dem schlimmen Ort bin und weil wir so einen schönen Tag hatten und die Eagles gewonnen haben und mein Vater einen Arm um mich gelegt hat und …
«Ich weiß, dass du mit Tiffany essen warst, und das ist prima. Ihr könntet wahrscheinlich beide einen Freund gebrauchen, der weiß, was Verlust bedeutet.»
Mir gefällt nicht, dass er das Wort «Verlust» auf uns beide anwendet, als ob ich Nikki verloren hätte – sozusagen für immer –, wo ich doch nur die Auszeit absitze und sie noch gar nicht verloren habe. Aber ich sage nichts und lasse ihn weiterreden.
«Hör mal», sagt Ronnie. «Ich möchte, dass du weißt, warum Tiffany ihren Job verloren hat.»
«Das geht mich nichts an.»
«Doch, falls du weiter mit ihr ausgehst. Ehrlich, du solltest das erfahren …»
Ronnie erzählt mir die Geschichte, wie Tiffany angeblich ihren Job verloren hat, doch die Art, wie er das erzählt, verrät mir, dass er voreingenommen ist. Er erzählt es nämlich so, wie Dr. Timbers das machen würde, stellt vermeintliche Fakten fest, ohne zu berücksichtigen, was dabei in Tiffany vor sich ging. Er erzählt mir, was Kollegen in ihren Berichten geschrieben haben, was Tiffanys Chef ihren Eltern erzählt hat und was ihre Therapeutin seither Veronica anvertraut hat, die als Tiffanys offizielle Vertraute fungiert und daher einmal die Woche mit der Therapeutin telefoniert, aber er erzählt mir nichts, rein gar nichts darüber, was Tiffany denkt oder wie es in ihrem Inneren aussieht: die schrecklichen Gefühle, die widersprüchlichen Impulse, die Bedürfnisse, die Verzweiflung, alles, was sie von Ronnie und Veronica unterscheidet, die einander haben und ihre Tochter Emily und ein gutes Einkommen und ein Haus und vieles mehr, was Leute davon abhält, sie als schräg zu bezeichnen. Erstaunlich finde ich dabei, dass Ronnie mir das alles ganz freundlich erzählt, als wollte er mich vor Tiffanys Verhalten schützen, als wüsste er mehr über solche Dinge als ich, als hätte ich nicht die letzten Monate in einer psychiatrischen Einrichtung verbracht. Er versteht Tiffany nicht, und mich versteht er schon gar nicht, aber das nehme ich ihm nicht übel, weil ich daran arbeite, lieber nett zu sein, als recht zu haben, damit Nikki mich wieder lieben kann, wenn die Auszeit zu Ende ist.
«Also, ich erzähl dir das nicht, weil ich gemein sein oder über sie herziehen will, sondern nur, damit du bei ihr vorsichtig bist, klar?», sagt Ronnie, und ich nicke. «Gut, ich muss jetzt nach Hause zu Veronica. Vielleicht komm ich irgendwann diese Woche zum Krafttraining vorbei. Okay?»
Ich nicke wieder und sehe ihm nach, wie er federnd davontrabt, als hätte er das Gefühl, seine Pflicht getan zu haben. Es ist offensichtlich, dass er sich das Spiel nur anschauen durfte, weil Veronica wollte, dass er mit mir über Tiffany spricht, wahrscheinlich, weil Veronica fürchtet, ich könne ihre nymphomanische Schwester ausnutzen, was mich richtig
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