Silver Moon
prallten an mir ab, wie alles andere auch. Selbst die körperlichen Annäherungsversuche, die heute noch schlimmer waren als die Tage zuvor, machten mir nichts mehr aus. Ich nahm ihre steten Umarmungen und die mir auf die Wange gezwängten Küsse ebenso in Kauf wie das permanente Tätscheln meines Pos.
Unbeeindruckt und stumm verrichtete ich meine Arbeit. Magnus und Vater füllte ich ab, so gut ich konnte, ich brachte ihnen permanent stark alkoholisierte Getränke, ob sie diese bestellt hatten oder nicht. Gegen Mitternacht waren beide so betrunken, dass ich die Hoffnung hatte, Vater unbemerkt den Schlüsselbund entwenden zu können. Leider trug er ihn festgeschnürt an seinem Gürtel um den Bauch. Aber ich schwor mir: Wenn ich je die Chance bekäme und den Schlüssel greifen könnte, würde ich es tun. Und dann würde ich mit meinen Brüdern weglaufen, weit weg …
Welch schöner Gedanke! Mit einem Seufzer machte ich mich daran, die Gaststube zu säubern. Zum Glück war Magnus sturzbetrunken. Er konnte heute kaum noch stehen und ich war vor weiteren Übergriffen geschützt, zumindest an diesem Abend. Ich war sogar vor ein Uhr in der Nacht zu Hause, brachte meinen Brüdern noch eine Mahlzeit und fiel danach todmüde in mein Bett. Doch nur sechs Stunden später ging alles wieder von vorne los und an dem darauffolgenden Tag das Gleiche.
Morgens Kai und Nino versorgen, das Haus notdürftig säubern, Vater bedienen, anschließend war Dienst im Krankenhaus, zurück zu meinen Brüdern und dann wieder ab ins Brockhaus, bis in die Nacht. Ob ich das lange durchstehen würde, bezweifelte ich bereits zwei Tage später. Es war Freitagabend und ich schuftete wie gewohnt in der Kneipe. Meine Gedanken waren unterdessen fortwährend bei Mia, Sakima und Yuma. Ich hatte sie alle schon tagelang nicht mehr gesehen; je länger ich von ihnen getrennt war, umso mehr musste ich an sie denken. Ich hatte es die ganze Woche nicht geschafft, bei den Moores vorbeizuschauen. Mein Herz schmerzte, als mir Sakima in den Sinn kam.
Was er wohl von meinem Verhalten denken würde? Ich hatte versprochen, ihn am Mittwoch zu besuchen, und war nicht erschienen. Es tat mir so leid! Und Mia … gewiss würde sie sich wundern, dass niemand aus ihrer Familie kam, selbst Kai nicht, der doch täglich zu Anouk gegangen war.
Und Yuma … würde ich ihn je wiedersehen? Fast erschien er mir wie ein Hirngespinst. Hatte ich ihn tatsächlich vor einer Woche kennengelernt und die Nacht mit ihm verbracht? Seine Flöte, die ich ständig um meinen Hals trug, diente nun als Beweis seiner Existenz.
Ich nahm sie sacht in meine Hand und küsste sie. Mein Herz schmerzte beim Gedanken an diese geliebten Menschen. Ich hatte ein so schlechtes Gewissen und stieß eine Danksagung gen Himmel, als endlich das Wochenende vor der Tür stand.
Anouks Tränen
Ich hatte die nächsten beiden Tage keinen Dienst in der Klinik, aber das behielt ich für mich. Magnus hatte ich erzählt, dass ich am Samstag arbeiten müsste. Ich wollte die freie Zeit nutzen, um endlich zu den Moores zu gehen, Mia zu besuchen und um Sakima zu sehen – heimlich hatte ich die Hoffnung, auch Yuma zu begegnen. Die Vorfreude in mir war riesig, als ich am Samstagvormittag auf den Hof der Moores fuhr. Ich war noch nicht richtig ausgestiegen, als Mia aus dem Haus stürmte, auf mich zugelaufen kam und mir um den Hals fiel.
»Kira, Kira … Da bist du, endlich! Wo warst du nur so lange? Habt ihr Ärger bekommen, weil ich weg bin?« Anouk kam gerade aus dem Haus, deshalb konnte ich nicht ausführlich antworten. Ich wollte nicht, dass die Moores von den Zuständen bei uns erfuhren, darum nickte ich nur und Mia verstand.
»Geht es Nino und Kai gut?«, wollte sie noch wissen.
Anouk stieß zu uns und sah mich ebenso erwartungsvoll an wie meine kleine Schwester.
»Ja, was ist mit Kai? Wieso kommt er nicht mehr?«
Ich war in Bedrängnis und wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Äh, er … er kann nicht kommen, er ist verhindert. Aber ihm geht’s einigermaßen gut.« Anouk blickte traurig zu Boden. Sie tat mir leid. Gewiss stellte sie vollkommen falsche Vermutungen auf. Aber wie hätte ich ihr die Wahrheit beibringen sollen? Noch während ich darüber nachdachte, hörte ich plötzlich das Geräusch der Hundeklappe. Sakima rannte auf mich zu und sprang mich dermaßen freudig an, dass ich rückwärtstaumelte.
»Hey! Ist ja gut! Ich freue mich auch, dich zu sehen. Es tut mir unglaublich leid, dass ich am Mittwoch
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