Silver Moon
»Selbstverständlich, Kira! Und lass dir gesagt sein, dass man zu zweit stärker ist als alleine. Spiele nicht die Märtyrerin, du wirst dieses Spiel sonst bitter verlieren! Ich appelliere hiermit wiederholt an dein Herz, dich zu öffnen. Warte nicht zu lange damit!«
Ich schaffte es weder ihn anzusehen, noch seine Vermutungen zu verneinen. Ich ließ Bobs Worte unbeantwortet stehen und reichte ihm zum Abschied meine Hand. Ich sagte ihm nicht ›Auf Wiedersehen‹, auch nicht ›bis bald‹. Ich flüsterte nur: »Danke!«, und war mir sicher, dass er es verstand.
Als ich nach draußen auf den Hof kam, wartete Sakima am Auto auf mich. Er sprang mich freudig an und forderte seine Streicheleinheiten. Dann kniff er in mein Hosenbein und wollte mich mit zu seiner Hütte ziehen. »Stopp, Sakima! Tut mir leid, aber das wird heute leider nichts mehr! Ich muss gleich zu Brock und bin froh, dass ich heute überhaupt zu euch kommen konnte. Magnus hat mir die Ausrede mit der Samstagsschicht im Krankenhaus zwar abgenommen, aber dafür muss ich heute Nachmittag und den ganzen morgigen Tag in seiner Kneipe arbeiten!«
Sakima jaulte laut auf. Dann schüttelte er sich. »Ja, ich finde es auch schrecklich! Was würde ich nicht alles dafür geben, um bei dir bleiben zu können«, flüsterte ich und musste an meine eingleisige Zukunft mit Magnus denken. Fast hätte ich geweint, schaffte es aber, meine Tränen zurückzuhalten. Dennoch spürte Sakima mein Unbehagen. In seinen warmen Augen wuchs ebenfalls die Traurigkeit, und das schmerzte mich. Ich wollte nicht, dass er meinetwegen traurig war, und mir fiel etwas ein.
»Weißt du was? Die ganze nächste Woche habe ich Spätschicht in der Klinik, deshalb kann ich nur vormittags im Brockhaus arbeiten. Da die Kneipe aber erst um zehn Uhr öffnet, kann ich jeden Morgen ab sieben zu dir kommen! Wir haben dann täglich ganze drei Stunden, nur für uns alleine – was hältst du davon?«
Sakima drehte sich wie ein Kreisel, seine Freude war unübersehbar und wirkte ansteckend. Sie übertrug sich auch auf mich und ich konnte unsere gemeinsame Zeit kaum erwarten. »Dann also bis Montagmorgen!«, verabschiedete ich mich und schloss Sakima glücklich in meine Arme. Dabei fiel mein Blick auf die Scheune: Anouk stand in der Scheunentür. Es sah aus, als würde sie weinen. Ich löste mich von Sakima und ging langsam zu ihr. Anouk weinte tatsächlich! Sie drehte mir beschämt den Rücken zu, als sie mich kommen sah, und wischte ihre Tränen weg.
Tränen … davon hatte ich selbst viel zu viele in letzter Zeit vergossen. Aber weshalb weinte Anouk?
»Geht es dir nicht gut?«, fragte ich leise und strich ihr dabei sanft über die Schulter. Sie schüttelte sofort energisch den Kopf. Nur langsam wandte sie sich mir zu, ließ ihren Blick aber gesenkt.
»Er ist sauer auf mich, stimmt’s? Er will nicht mehr kommen, weil ich ihm die Meinung gesagt habe, als er Mia zu uns brachte.« Ich verstand die Bedeutung ihrer Worte nicht.
»Wer ist sauer auf dich?«
»Kai! Ich hatte ihm gesagt, dass ich finde, wir würden zu wenig Zeit zusammen verbringen. Er antwortete mir, es sei schwierig und er bekomme Ärger zu Hause, wenn er noch länger weg sei. Daraufhin bot ich ihm an, euren Vater zu fragen und darum zu bitten, ihn öfter sehen zu dürfen, doch er sagte, dass ich das nicht wagen solle!
Kai meinte sogar, dass ich nicht zu euch kommen darf!«
Anouk begann wieder zu weinen und ich nahm sie tröstend in meine Arme. »Das klingt für dich sicherlich härter, als es gemeint war! Glaube mir, Kai wollte damit etwas ganz anderes zum Ausdruck bringen!« Anouk blickte mich verständnislos an. »Was denn?«
»Es ist wegen unserem Vater. Du weißt, dass er ein Tyrann ist, und Kai versuchte dich mit den Worten bestimmt nur zu schützen!« Anouk schniefte. »Ich war so sauer auf ihn und sagte, wenn er mich nicht sehen will, braucht er gar nicht mehr zu kommen! Kai faselte etwas von, ich würde ihn niemals verstehen. Dann ist er gegangen und bisher nicht wiedergekommen! Das war am Dienstag, heute ist Samstag … Ich hab’s verbockt, stimmt’s?«
Sie fiel mir schluchzend in die Arme. Sie weinte so sehr, dass es mich selbst schmerzte. Ich strich ihr beruhigend über den Rücken und versuchte sie, so gut ich konnte, zu trösten. »Nicht weinen, du liegst ganz falsch! Du hast nichts verbockt, wirklich nicht!«
»Aber wieso kommt Kai dann nicht mehr?« Mir drehte sich der Magen um, als ich an den wahren Grund dachte,
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