Silver Moon
Sakima nicht mehr aus den Augen zu lassen, und ich glaubte dem alten Mann aufs Wort. Erleichtert machte ich mich auf den Weg zur Klinik, während mich noch andere Sorgen plagten.
Wie würde es weitergehen, wenn ich wieder im Brockhaus erschien? Ob Magnus abermals geschlossen hatte? Ob er da weitermachte, wo er heute unterbrochen wurde?
Ich bekam Bauchschmerzen, wenn ich nur daran dachte! Auch wenn Sakima mir heute geholfen hatte, eine wahre Chance gegen Magnus bestand für mich nicht.
Wenn ich wollte, dass meine Brüder freikamen, musste ich durch die Hölle gehen – das war der einzige Weg in meine Zukunft.
Wahrheit
Als ich am späten Abend nach Hause fuhr, beherrschte die Furcht wieder meine Eingeweide. Ich war in Angst gehüllt, sie wollte einfach nicht weichen. Zittrig saß ich am Lenkrad und fuhr die einsame, finstere Landstraße entlang. Ich dachte an Sakima … Ihn
brauchte ihn, jetzt! Es war schon fast Mitternacht, als ich am Hof der Moores ankam. Alles war still, alles war dunkel – nirgends brannte mehr ein Licht. Ich stieg aus und schlich zu Sakimas Hütte. Sacht klopfte ich an und wartete … und wartete … nichts!
Ich klopfte noch mal, jetzt etwas stärker, aber wieder nichts! Ich ging um die Ecke des Häuschens und spähte in das kleine Fenster: Im Wohnzimmer war niemand, die Hütte schien verlassen zu sein. Gut so, redete ich mir ein, dann hatte Bob ihn wahrscheinlich mit ins Haus genommen. War auch besser, für den Fall, dass Brock hier auftauchte. Im großen Haus der Moores hatte Sakima wesentlich mehr Schutz als allein in seiner Hütte. Aber bei den Moores wollte ich um die Uhrzeit nicht mehr klingeln. Außerdem würde ich Sakima in ein paar Stunden sowieso wiedersehen, daher machte ich mich endgültig auf den Heimweg. Ich parkte den Kombi in unserer Einfahrt und stieg langsam aus. Es hatte den Anschein, als sei Vater noch nicht zu Hause, zum Glück! Ich wollte ihm auch nicht begegnen. Gedankenverloren kramte ich in meiner Hosentasche nach dem Schlüsselbund, während ich zur Tür ging.
Plötzlich spürte ich Blicke in meinem Nacken …
Jemand beobachtete mich! Erschrocken fuhr ich herum und blinzelte in die Finsternis. Am Hühnerstall regte sich etwas. Eine dunkle Gestalt erhob sich; sie hatte auf dem angrenzenden Zaun gesessen und kam nun langsam auf mich zu. Während mein Herz seinen Rhythmus erhöhte, versuchten meine Augen krampfhaft etwas zu erkennen, aber ich sah nur Umrisse! Die Person, die stetig näher kam, bewegte sich im Schutz der Dunkelheit. Ich selbst stand da wie festgemeißelt. Ich rührte mich nicht, auch sagte ich nichts. Ich wartete nur darauf, endlich erkennen zu können, wer das war! Eine Vermutung bahnte sich an … Nein, unmöglich! Ich strengte meine Augen noch mehr an. Oder doch? Konnte das wahr sein?
Leicht benommen steckte ich meinen Haustürschlüssel in die Hosentasche zurück. Ja, er war es tatsächlich – Yuma! Ich konnte es nicht fassen! Er kam schweigend so nah zu mir, dass kaum ein Blatt zwischen uns gepasst hätte. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, dermaßen überwältigend waren meine Gefühle, als ich ihn endlich wiedersah. »Hallo«, wisperte ich. Er nickte nur und sah mir fortwährend in die Augen.
Die Zeit floss dahin, Wärme erfüllte mein Innerstes. Ich vergaß, wo ich war, ich vergaß, was geschehen war … Weder meine Vergangenheit noch meine Zukunft zählten, einzig das Hier und Jetzt waren relevant. Und ER war da, endlich war er wieder da!
»Wir müssen reden! Kommst du mit zu mir?«, fragte mich Yuma überraschend. Ohne über seine Worte nachzudenken, nickte ich.
Reden – und ob ich mit ihm reden wollte! Reden, singen, lachen, tanzen … alles würde ich mit ihm tun, überallhin würde ich ihm folgen! Ich machte mir noch nicht einmal Sorgen, als ich gemeinsam mit ihm die Landstraße entlangschlenderte. Das Auto hatte ich stehen gelassen, wir gingen zu Fuß. Es war Mitternacht, mein Vater hätte jeden Moment auftauchen können, denn dies war die einzige Straße, die zu unserem Haus führte. Und Magnus, auch er hätte uns begegnen können, aber all das interessierte mich nicht! Yuma war wieder da, er ging direkt neben mir! Wir liefen gemeinsam am Rande der wenig befahrenen Straße, die uns Stück für Stück näher zum Hof der Moores führte. Keiner von uns sprach, aber ich war glücklich! So glücklich wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Ach, was – so glücklich wie noch nie! Ich hätte nicht gedacht, dass sich dieser
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