Silvermind (German Edition)
taube Ohren.
„Wenn du von Anfang an nur dein Fickobjekt in der Band haben wolltest, wieso hast du es nicht gleich gesagt?“, brüllte sein Bruder außer sich. Das brachte Nero völlig zur Weißglut. Mit einem Satz sprang dieser seinen Zwilling an und schmiss ihn zu Boden. Die Worte hatten eine Kurzschlussreaktion ausgelöst. Nicht Nero war derjenige gewesen, der sich mit den Groupies eingelassen oder irgendwelche Exzesse auf dem Kerbholz hatte. Es war immer sein Bruder gewesen. Immer Neo, der für Schlagzeilen gesorgt hatte.
„Das sagst du mir? Ausgerechnet du?“, knurrte Nero finster und nagelte Neo unter sich fest. Mit den Händen presste er die Arme seines Bruders fest auf den Boden. Der keuchte, versuchte sich heftig aus dem Griff zu befreien.
„Fick dich ins Knie. Du bist kein Gramm besser als ich!“
Damit zerriss endgültig der letzte dünne Faden Kontrolle. Hart traf Neros Faust auf das Kinn seines Bruders, dessen Kopf durch den Aufprall zur Seite flog. Neo erholte sich schnell von dem Schlag und setzte ebenfalls an. Ein wilder Schlagabtausch entbrannte zwischen ihnen, in dem sie gleichermaßen austeilten und einsteckten. Sie wälzten sich quer über den Kies. Nero landete weiterhin Treffer, die sein Bruder stöhnend und ächzend abzuwehren oder zu parieren versuchte.
Sie schmissen sich wüste Beschimpfungen an den Kopf, die unter die Gürtellinie gingen, ihre Wut aufeinander anstachelte. Irgendwann errang Nero die Oberhand, holte aus und verpasste Neo einen erneuten Kinnhaken. Von fern drangen Stimmen zu ihm. Aber Nero achtete nicht darauf. Zu sehr pochte die Glut in seinen Adern, die Raserei in seinem Kopf. In Sachen Neo sah er nur noch Rot. Ohne Sinn und Verstand prügelte er sich mit diesem, drosch immer wieder auf den Körper ein, der sich unter ihm befand.
Erst, als er mit einem Ruck von Neo herunter gerissen wurde und hart mit den Ellenbogen auf dem Boden landete, sah er sich fluchend um. Zeno lag neben ihm. Der Drummer musste ihn von seinem Bruder weg gezerrt haben. Auf der anderen Seite kniete Mark, der seinen Zwilling festhielt, damit dieser sich nicht hochhieven konnte. Ray und Dean befanden sich nahe des Eingangs, die Situation beobachtend. Merkwürdig. Nero hatte fast damit gerechnet, dass Ray sich in die Schlägerei einmischen würde.
„Hab den Kleinen nicht gelassen. Wäre schlimm, wenn er am ersten Tag in der Band ein blaues Auge davon trägt“, meinte Zeno, der seinen Blick bemerkt haben musste.
„Schaff mir Neo aus den Augen. Ich kann diesen Idioten nicht mehr sehen.“
Schwer schnaufend stand Nero auf, putzte sich den Staub von der Hose. Seine Handknöchel schmerzten. Erst jetzt nahm er wahr, dass er von Neo mehr als einmal erwischt worden war. Zudem hatte sich Nero die Knie angeschlagen.
Zeno nickte und begab sich zu Mark, der seinem Zwilling auf die Beine half. Ein verächtlicher Blick traf Nero aus braunen Augen, die sich in keiner einzigen Nuance von den seinen unterschieden. Sein Bruder spuckte auf den Boden, zeigte ihm den Mittelfinger und folgte Mark widerstrebend.
„Deine Lippe blutet“, meinte jemand hinter ihm. Nero warf einen Blick über die Schulter. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund.
„Ein Kratzer“, entgegnete er mürrisch, suchte aber in den Hosentaschen nach einem Taschentuch. „Hier.“ Ray reichte ihm eine Packung mit Zellstoff. Verflucht, er wollte den Kerl überhaupt nicht sehen.
„Du kannst auch nur nerven, oder?“ Er nahm ein Taschentuch, spuckte Blut auf den Boden und wischte sich anschließend über die Lippen.
„Scheint so.“
„Ich mag keine Nervensägen.“
„Und ich keine Arschlöcher“, konterte Ray. Wut wallte in Nero auf, doch er wusste, dass es weniger mit Ray als mit ihm selbst zu tun hatte. Verdammte Scheiße, der Kerl haute ihm mental ständig eine rein. Als dieser sich wortlos umdrehte und ging, fluchte Nero leise.
„Alles okay bei dir?“ Mark trat neben ihn. Den Blick auf Rays Rücken geheftet, nickte er mechanisch. Adrenalin pulsierte durch seine Adern. Hinzu kam die Wut, die ihn innerlich leise kochen ließ.
„Klar.“
„Wird Zeit zu gehen.“
„Ich brauche einen Moment. Haut ab, ihr solltet längst weg sein.“ Eine Weile blieb es still. Nero spürte, dass ihn sein Freund nachdenklich von der Seite anschaute. Schließlich klopfte Mark ihm kumpelhaft auf die Schulter und verabschiedete sich. Der wusste, wann man Nero besser alleine ließ.
Allmählich verschwanden alle.
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