Silvermind (German Edition)
mit den Zähnen. Es musste schwer für ihn sein, sich zu beherrschen. Bereits gestern hatte Nero gemerkt, dass er Ray generell auf dem falschen Fuß erwischte. „Hör zu. Deine Entschuldigung ist angenommen. Du kannst aufhören.“ Eine Augenbraue lüpfend warf Nero ihm einen verständnislosen Blick zu.
„Womit?“
„Im Endeffekt ist es dir egal, wie es anderen geht oder welche Probleme sie haben. Das hast du deutlich gemacht.“
„Du widersprichst dir.“
„Nein. Ich mache dir nur klar, dass ich nicht vergesse. Ob verziehen oder nicht.“
Damit öffnete Ray die Tür und stieg aus. Nero fluchte, aber entschied sich dagegen, ihm hinterher zu gehen. Besser war, wenn sie eine Weile Abstand voneinander hatten. In den letzten Stunden war viel passiert, das sacken musste. Allerdings bereitete ihm der Gedanke, dass Ray offensichtlich nachtragend war, Magenschmerzen. Mit einem letzten Blick auf Rays Rücken startete Nero den Wagen und fuhr los.
***
Kapitel 14– Ray
Der Fernseher lief, angebrochene Bierflaschen standen vor ihnen, Chips lagen auf dem Boden verstreut. Kichernd saß Lora neben ihm, Dean hingegen war niedergestreckt auf dem Teppich.
„Komm wieder hoch“, meinte Ray Augen verdrehend, ein Grinsen um die Mundwinkel.
„Lora hat mich fertiggemacht.“
Schwer seufzend stütze Dean sich mit den Händen ab und ging in die Hocke. Mit einem belustigten Funkeln in den Augen fixierte er Lora, die anfing, in den höchsten Tönen zu kreischen. Lachend versuchte sie, hinter Rays Rücken Schutz zu finden.
„Willst du dich erneut mit ihr anlegen?“, feixte Ray. Vor wenigen Minuten hatten die beiden kabbelnd auf dem Boden gelegen, sich mit Chips beworfen und beinahe die Einrichtung in Deans Zimmer zerstört. Aber sein Kumpel schien es anscheinend darauf anzulegen.
„Ich fordere Revanche, kleine Hexe. Dein Bruder wird dich nicht beschützen können.“
„Ray mach was. Dean ist böse“, kicherte Lora. Im nächsten Moment sprang sie quietschend auf, als Dean auf sie zu hechtete. Allerdings bekam der sie nicht zu fassen.
„Bäh, siehst du, du bist ein Lahmarsch.“ Zunge raus streckend stand Lora am anderen Ende des Zimmers. Dean knurrte.
„Hörst du, was die Hexe zu mir sagt? Ich fasse es nicht.“ Ray schmunzelte und zuckte mit den Schultern. Nach der Bierflasche greifend zwinkerte er Lora zu. Es war schön, sie ausgelassen zu sehen. Für diesen Abend waren die Schwierigkeiten der letzten Tage vergessen.
„Das bedeutet, dass sie dich mag.“
„Wenn sie frech zu mir ist?“
„Klar.“ Grinsend nahm Ray einen Schluck. Er beobachtete die beiden eine Weile, wie sie wieder durch das Zimmer rannten, miteinander tobten. Sie kitzelten sich abwechselnd durch, bis sie irgendwann keuchend auf dem Boden lagen, und beschlossen, Frieden zu schließen. Ray lehnte den Kopf an die Couch, den Blick unter halb geschlossenen Lidern auf die Szenerie gerichtet. Er war froh, dass Dean sie aufgenommen hatte, doch er wusste, dass dies keine Dauerlösung war. In einem cholerischen Anfall seitens Rogers, ihrem Vater, war Ray mit Lora aus der Wohnung geflüchtet. Er hatte die nötigsten Sachen mitnehmen können. Den Rest hatte er in Rogers Wohnung lassen müssen, besaß Ray nicht die Möglichkeit und Kapazitäten, die Dinge unterzubringen. Lora fehlten diverse Schulmaterialien, sowie genügend Kleidung für die nächsten Wochen. In Anbetracht der Umstände war das allerdings ihr kleinstes Problem.
Ray hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Der Tourbeginn war in einer Woche. In dieser Zeit würde er nicht zu Hause sein, würde nicht arbeiten können. Es stand fest, dass es kein Zurück in die Hölle gab. Im Streit mit Roger hatte sich Ray einige Prellungen zugezogen, blaue Flecke in Brust- und Bauchbereich. Höchstwahrscheinlich hatte er sich eine Rippe gebrochen, als er auf dem Wohnzimmertisch aufgeschlagen war. Das Atmen fiel ihm schwer. Bei jedem Zug zuckte er unweigerlich vor Schmerz zusammen.
Loras Angstschrei klang immer noch in ihm nach. Sie hätte von all dem nichts mitbekommen sollen. Als Roger ausgerastet war, ausgelöst dadurch, dass Ray den Alkohol in den Abfluss gekippt hatte, war sie gerade nach Hause gekommen.
Ray verzog spöttisch die Lippen. Es war lange kein Heim mehr für ihn gewesen. Wenn er ehrlich war, konnte er das nicht einmal von der Zeit behaupten, in der seine Mutter bei ihnen gewohnt hatte. Er hatte es satt, dass Roger nicht nur Rays Leben zerstörte, sondern vor
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