Silvermind (German Edition)
ich ziemlich beschissen zu dir war. Doch was du mir vorwirfst, ist unfair. Ich bin kein menschliches Arschloch.“
„Manchmal schon“, rutschte es Ray unweigerlich heraus. Er fluchte gedanklich. Das lief bestens … Nero kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
„Wolltest du mir deine Meinung geigen oder tatsächlich eine Einigung finden? Auf Ersteres kann ich verzichten. Ich kenne meine Fehler.“ Ray nahm einen Schluck, dann schüttelte er den Kopf.
„Genau das meine ich. Jedes Mal, wenn wir zusammen sind, artet es aus. Das will ich nicht.“
„Was willst du dagegen tun?“
„Keine Ahnung“, meinte er ehrlich. Er wusste es wirklich nicht, hatte gehofft, dass Nero eine
Lösung parat hatte. Nachdenklich schaute dieser ihn an, während er von der Cola trank.
„Ich denke, dass es in Zukunft besser funktioniert, Ray.“
„Warum?“
„Weil dieses Gespräch aufschlussreich war. Langsam verstehe ich dich.“
„Super, ich dich nicht“, konterte Ray und schaute angesäuert zu ihm. Dieser schenkte ihm daraufhin ein gefährliches Lächeln, entblößte seine weißen Zähne. Ray wurde davon eiskalt erwischt. Die Umgebungstemperatur erschien ihm mit einem Mal unerträglich warm. Es war das erste Mal, dass er Nero lächeln sah, auf eine Art, die ihm ins Blut ging. Immer noch lächelnd trank der einen Schluck. Er wurde den Verdacht nicht los, dass der Kerl genau wusste, welche Wirkung der auf ihn hatte.
„Übrigens haben wir ein Problem“, meinte Ray, um sich von dem Lächeln loszueisen, sich abzulenken. Nero stellte das Glas ab und nickte. „Deine Verletzung, oder? Darum habe ich mir bereits Gedanken gemacht.“
„Und?“
„Schwierig. Du dürftest überhaupt nicht auftreten. Allerdings wollte ich die Tour mit dir beginnen.“
„Spielen würde ich können, aber alles andere sieht schlecht aus.“
„Ich will kein Risiko eingehen. Zwischen dem ersten und zweiten Konzert liegen vier Tage. Wenn wir das Erste absagen, hättest du mehr Zeit, um zu genesen.“
„Ich will nicht, dass du das tust. Wie gesagt, ich werde spielen, die Performance wirst du übernehmen müssen. Die hast du drauf, da brauchst du mich nicht.“
„Ray.“
„Diskutier nicht mit mir. Wir werden das schaffen. Genau genommen bin ich kein Mitglied der Band, was heißt, dass ich nicht zähle. Ihr müsst auftreten.“
„Versprichst du mir was?“, meinte Nero, nachdem er Ray eine Weile nachdenklich angesehen hatte.
„Was?“
„Denke zukünftig mehr an dich.“ Ray senkte den Blick, kratzte mit dem Fingernagel den abblätternden Lack vom Tisch.
„Das tue ich bereits. Schließlich will ich nicht die Fans gegen mich haben.“
„Wenn ich merke, dass du dich übernimmst, breche ich das Konzert sofort ab. Haben wir uns verstanden?“
„Ja.“
„Gut. Und jetzt will ich ein Eis, du auch?“, wechselte Nero abrupt das Thema, was Ray leicht lächeln ließ. Er nickte. Als Nero aufstand und verschwand, trank er den letzten Schluck Cola. Vielleicht hatte der Kerl recht. In nächster Zeit würde es besser zwischen ihnen laufen.
***
Als sie spät am Nachmittag den Heimweg antraten, war die Stimmung ausgelassen. Nero hatte sich als umgänglicher Gesprächspartner erwiesen. Für einen Moment hatte Ray vergessen können. Er musste sich eingestehen, dass er den Kerl interessant fand. Jeden Tag, so schien es, offenbarte der ihm eine neue Seite.
Sie kamen am Nordeingang an. Nero blieb stehen und wandte sich ihm zu. Die tief am Himmel stehende Sonne stand ihm im Rücken.
„Was wirst du heute noch machen?“, wollte Nero wissen. Ray zuckte mit den Schultern.
„Wahrscheinlich Dean Rede und Antwort stehen.“
„Warum? Wegen des Treffens?“
„Ja“
„Der kleine Twink ist ziemlich neugierig, kann das angehen? Hast du ihm was erzählt?“
„Nein“, entgegnete Ray, der wusste, dass Nero auf die Dinge anspielte, die in den letzten Tagen vorgefallen waren.
„Ich würde gerne noch ein Geheimnis haben, von dem er nichts weiß“, meinte Nero dunkel. Ray schaute ihn an. Der Ausdruck in den braunen Augen war unergründlich. Der Leader hob die Hand und umfasste Rays Kinn. Ray erschauerte unter der Berührung. „Das hier zum Beispiel“, raunte er vor Rays Mund. Zärtlich legten sich Neros Lippen auf seine. Ihre Zungen umspielten sich sanft, streichelten einander. Ray schmeckte den Hauch Schokolade, der von dem Eis übrig geblieben war, die feine Süße der Sahne. Mit geschlossenen Augen ergab
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