Silvy macht ihr Glück
Frau Allen lächelnd.
Vor dem Eingang parkte eine Reihe von pompösen Autos, so daß der Silbergraue daneben nur wie eine unansehnliche Nummer erschien. Pagen in Livree kamen gelaufen, um das Gepäck zu holen und „Mademoiselle“ höflich zu zeigen, welche Garage für Madames Auto reserviert war.
In der großen Halle plätscherte ein Springbrunnen, und es gab Blumen, Blumen überall. Sylvi hatte noch nie eine so große Halle gesehen, und sie war begeistert von der Blumenpracht.
„Am besten ist es, wenn Sie sich selbst zeigen“, meinte Frau Allen lachend, als sie zur Anmeldung schritten. „So ein Mißverständnis wie in Göteborg wollen wir nicht wieder haben.“
Sylvi füllte die Anmeldung aus, und in die Rubrik „Beruf“ schrieb sie stolz „Chauffeuse“.
Der imposante Empfangschef betrachtete Sylvi und ihre Anmeldung.
„Mademoiselle bekommt die Nummer dreihundertzwölf. Der Speisesaal für die Dienerschaft ist hier rechts, diese Tür, und dann die nächste Tür rechts im Korridor.“
Hier war an alles gedacht, auch an die von den reichen Gästen mitgebrachten Chauffeure, Kammerzofen und Diener. Sylvi war gespannt. Ob sie wohl die Kammerzofen von Filmstars und anderen Millionären treffen würde und richtige englische Diener? Sie ging auf einen der vielen Lifts zu. Frau Allen war schon zu ihrer Suite hinaufgefahren und hatte gesagt, Sylvi möge in ihr Zimmer gehen und sich frisch machen, sie würde anrufen, wenn sie sie brauchte.
Ein großer Herr in korrekter Kleidung ging durch die Halle. Als Sylvi ihn sah, spürte sie ihr Herz bis an den Hals klopfen. Dann entdeckte er sie.
„Nein – “ sagte er. „Nein, aber so was – “
Er kam auf sie zu und schüttelte ihr die Hand. „Sylvi! Ja, Sie wissen, was ich sagte: Sollte das Schicksal uns eines Tages wieder zusammenführen, dann will ich mir vorbehalten, Sie Sylvi zu nennen.“
Sie sah ihn an. Er war noch viel, viel hübscher, als sie ihn in Erinnerung hatte.
„Das ist aber eine Überraschung, Herr Hallgren.“
„Ich heiße Jörn“, sagte er.
„Ja, das weiß ich wohl. Aber denken Sie daran: wir sind hier in einem großen Hotel. Und ich bin bloß ein Chauffeur, und Sie sind ein Gast.“
Da lachte er. Nicht laut, es war eher ein Schmunzeln. „Gast? Denkste! Nein, Kleine, ich arbeite hier ehrlich als Maître d’hôtel!“
„Ach – so ein Ober-Ober-Super-Chefkellner also?“
„Eben. Haushofmeister sagte man früher. Ich bin derjenige Mensch, der in diesem Haus am meisten zu tun hat. Habe die ganze Verantwortung fürs Servieren und für alles, was sich im Speisesaal abspielt. - Ach, wie schön, wieder mal norwegisch zu sprechen! Und wie geht es Ihnen, Sylvi?“
„Ganz großartig. Aber ich bin müde wie ein Hund und voller Staub.“
„Ja, dann gehen Sie sich waschen. Welches Zimmer haben Sie? 312? Ach, das hat keine Dusche. Aber im Korridor ist ein Bad. Ich werde Bescheid geben.“
Jörn telefonierte mit einem Etagenmädchen und ließ das Bad richten.
„So“, sagte er. „Jetzt weiß Michèle da oben, daß ich meine schützende Hand über Sie halte. Sylvi, wie ist das, essen Sie mit Frau Allen, oder…“
„Nein, ich werde wohl mit meinen Kollegen aus dem Dienerstand essen.“
„Großartig. Es ist nämlich meine hohe Pflicht, an dieser Tafel zu präsidieren. Jetzt muß ich sausen, das Essen soll gleich serviert werden. Da muß ich auf jedem Finger ein Auge haben und am besten auch auf jeder Zehe. Und ich muß in drei Sprachen höflich sein. Meine eigene habe ich als Reserve, um zu fluchen, wenn die Gäste allzu unmöglich werden. Au revoir, Sylvi.“
Wenig später lag Sylvi in der Badewanne und lächelte. Sie vergaß beinahe, sich zu waschen. War sie nicht ein Glücksmädchen?
Und da gab es sicher daheim in Norwegen den einen oder anderen, der sich noch an die Tragödie mit den armen Eckers erinnerte. Die sollten nur wissen, daß es gar keine unglückliche kleine Sylvi Ecker gab, nur eine unbeschreiblich glückliche Sylvi Eriksen.
7
Sylvie pusselte in dem gemütlichen kleinen Zimmer herum, das sie bekommen hatte. Diesmal war es zweifellos ein Einzelzimmer, glücklicherweise. Sie mußte immer noch lachen, wenn sie an die Episode in Göteborg dachte. Sie zog frische Wäsche an, bürstete die Livree und bürstete auch ihr Haar, bis es wie Gold glänzte. Dann rief Frau Allen an.
„Kommen Sie bitte einen Augenblick herunter, Nummer vierzehn.“
„Sofort, gnädige Frau.“
Sylvi blieb innerhalb der Tür zu Frau
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