Silvy macht ihr Glück
sollte sie Frau Allen wieder zur Verfügung stehen.
Sie sah sich um. Ein paar Meter von ihr entfernt lag eine junge Dame, ebenfalls mit Sonnenbrille auf der Nase und Öl im Gesicht. An ihrer Seite spielte ein süßer, splitternackter kleiner Junge mit Eimer und Spaten.
Sylvi hob den Kopf und stützte sich auf die Ellenbogen. Der kleine Junge war bezaubernd, wie er dasaß, mit Sand auf dem Stupsnäschen und zerzausten Locken. Jetzt warf er den Eimer weg und stellte sich etwas mühsam auf, er hatte offenbar Lust zu einer Tour in die weite Welt. Er stapfte zielbewußt hinunter zu den Wellen. Das sah gefährlich aus, und die Mutter hatte nichts gemerkt.
„Nein, bleib da, Kleiner“, rief Sylvi. Sie sprang auf und lief hinter dem unternehmungslustigen kleinen Mann her. Trotz eifriger Proteste auf englisch hob sie den kleinen zappelnden Körper empor und brachte ihn zurück zur Mutter, die verwirrt aufblickte.
„Ah, vielen Dank, Mademoiselle.“
Es kam in stammelndem Französisch.
„Oh, bitte“, sagte Sylvi auf englisch. „Ich fand, daß ich den jungen Mann zurückholen mußte. Er sah aus, als ob er ins Wasser laufen wollte.“
„Ach, sprechen Sie Englisch? Das ist fein. Ich kann mich nie an die Sprache hierzulande gewöhnen. Aber Sie sind wohl nicht Engländerin?“
„Nein, ich bin Norwegerin.“
„Norwegerin? Das ist ja wunderbar. Da müssen Sie unbedingt meinen Mann kennenlernen. Er liebt Norwegen, ist zwei Sommer hindurch dagewesen und hat Lachs geangelt. Nächstes Jahr wollen wir beide hin. Wollen wir uns nicht bekannt machen? Ich bin Pansy Gordon, mein Mann ist Rechtsanwalt in London.“
Sylvi nannte ihren Namen. Pansy Gordon schien froh zu sein, eine ungefähr Gleichaltrige gefunden zu haben, mit der sie sprechen konnte. Sie plauderten über den Jungen, das muntere Badeleben und die Verhältnisse in Frankreich.
Pansy wohnte in einem kleineren Hotel in der Nähe. Sie fand es sehr angenehm dort, badete aber nicht gern direkt vor dem Hotel. Es war so mühsam mit all den Leuten, die französisch mit ihr redeten.
„Ich bin gänzlich unbegabt, was Sprachen betrifft“, gestand sie lachend. „Aber ihr Skandinavier seid darin wohl sehr tüchtig.“
Sylvi lachte. „Wir müssen, wohl oder übel!“ meinte sie. „Wir können doch nicht erwarten, daß Ausländer die Sprache unseres kleinen Landes lernen.“
„Da kommt mein Mann“, sagte Pansy. Sie winkte. „Hallo, Darling, hier sind wir.“
Zwei Herren in Tennisdreß kamen auf sie zu.
„Dougie, ich habe eine junge norwegische Dame kennengelernt. Das ist mein Mann, Miß Eriksen, und das ist Monsieur Garnier, der treueste Tennispartner meines Mannes.“
Monsieur Garnier war ein großer, schwarzhaariger Mann mit den blauesten Augen, die Sylvi jemals gesehen hatte.
„Mademoiselle, ich bin entzückt. Sprechen Sie auch Französisch?“ sagte er liebenswürdig.
„Ja“, erwiderte Sylvi lächelnd, „Jedenfalls besser als Englisch.“
„Charmant, Mademoiselle. Man hört ja gar nicht, daß Sie Ausländerin sind. Wohnen Sie in der Nähe, Mademoiselle?“
„Ja, im Hotel Belville.“
„Oh, ja gewiß. Das ist ganz neu, ein sehr schönes Hotel, nicht wahr?“
„Doch, es ist recht imposant. So etwas haben wir ja nicht in meinem kleinen Land.“
„Ich habe über Norwegen gelesen“, sagte Jean Garnier. „Es soll ganz großartig sein. Ich habe schon immer Lust gehabt, mal dorthin zu reisen, und jetzt ist diese Lust unbezwingbar geworden.“ Seine blauen Augen blickten schelmisch und mit unverkennbarer Bewunderung auf Sylvi. Er warf sich neben ihr auf den Sand.
„Erlauben Sie, Mademoiselle? Eine Zigarette? Erzählen Sie mir von Ihrem schönen Land, Mademoiselle. Ist es wahr, daß Sie mit Rentieren fahren und den ganzen Winter hindurch die Sonne nicht sehen?“
Sylvi brach in Lachen aus. Und dann erzählte sie, eifrig unterstützt von Douglas Gordon, der sehr stolz auf seine eingehende Kenntnis von Norwegen war.
Es wurde eine wirklich nette Unterhaltung. Die Zeit verging darüber rasch, und Sylvi mußte an die Rückkehr ins Hotel denken. Sie stand auf.
„Wollen Sie uns schon verlassen, Mademoiselle?“ fragte Jean Garnier.
„Ich möchte noch einmal schwimmen, ehe ich ins Hotel zurückgehe“, antwortete Sylvi.
„Müssen Sie denn wirklich gehen?“
„Ja“, gestand Sylvi lächelnd. „Ich bin mit einer älteren Dame hier und kann sie nicht länger allein lassen.“
„Gewiß, ich verstehe. Ihre Chaperone.“
Sylvi konnte sich das Lachen
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