Silvy macht ihr Glück
Allens Suite mit offenem Mund stehen. Frau Allen saß am Toilettentisch in einem Traum von Morgenrock.
Sie bemerkte Sylvis Ausdruck und lächelte.
„Ja, hier ist es hübsch, nicht wahr? Imponiert mir tatsächlich selber. Sie können sich gern umsehen, wenn Sie Lust haben.“
Und Sylvi hatte Lust.
Das Schlafzimmer war groß und hell und mit einem dicken, weichen Teppich ausgelegt, der an Moospolster erinnerte. Das Bett war so groß, daß nach Sylvis Meinung eine mittelgroße Familie darin hätte schlafen können, ohne unter Platzmangel zu leiden. Vor den Fenstern bewegten sich leichte Seidenvorhänge. Ein weißes Telefon stand auf einem der Nachttische und ein Riesenstrauß langstieliger Rosen auf dem anderen. Das Bad war ein raffinierter Traum in Rosa und Schwarz, und in einem kleinen Wohnzimmer standen bequeme Polstermöbel, ein praktischer Schreibtisch und ein Fernsehapparat.
„Nun?“ fragte Frau Allen lächelnd.
„Wunderbar“, sagte Sylvi. „Aber ich habe auch ein sehr hübsches Zimmer bekommen, und ohne jede Möglichkeit, noch andere Chauffeure zu beherbergen.“
Frau Allen lachte.
„Hören Sie zu. Ich möchte gern für die Zeit, die wir hier sind, so ein ungefähres Programm aufstellen. An den Tagen, an denen ich Ausflüge mache, sind Sie natürlich gebunden, aber ich glaube, ich werde mich hier ziemlich ruhig verhalten. Als Regel können Sie annehmen, daß Sie ab neunzehn Uhr frei sind. Außerdem möchte ich gern, daß Sie im Laufe des Tages zwei Stunden frei haben. Ich hoffe, Sie werden einige junge Leute hier kennenlernen, das sollte Ihnen ja nicht schwerfallen. Also sagen wir, daß Sie ab Mittag – ich esse um halb eins – bis um sechzehn Uhr freihaben.“
„Aber gnädige Frau, das sind ja nicht zwei Stunden, sondern drei und eine halbe!“
„Sie müssen doch auch Zeit haben, Mittag zu essen. Ich glaube, im Speisesaal der Dienerschaft wird um eins serviert. Wenn Sie in Ruhe essen, sind es dann nur ein paar Stunden Freizeit. Und, wie gesagt, wenn ich einen längeren Ausflug mache, verlieren Sie ohnehin die beiden freien Stunden mitten am Tag.“
„Ja, selbstverständlich.“
„Daß das Auto immer in perfektem Stand zu halten ist, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu sagen.“
„Nein, das brauchen Sie nicht, gnädige Frau. Es ist doch mein Hätschelkind.“
„Ja, das habe ich bemerkt. Nun, das war alles. Wenn Sie sich über etwas nicht klar sind, kommen Sie nur zu mir und fragen Sie.“
„Wenn Sie mir nur sagen wollten, gnädige Frau, wann ich die Livree tragen soll und wann zivile Kleider?“
„Ziehen Sie einstweilen ein gewöhnliches Kleid an, Sie können sich ja rasch umkleiden, wenn ich Sie brauche. Gehen Sie nur auf Entdeckungsreise, mein Kind. Und dann erwarte ich also, daß Sie um sechzehn Uhr wieder auf Ihrem Zimmer sind, damit ich Sie erreichen kann.“
In der Halle traf Sylvi mit Jörn zusammen.
„Nein, wie süß Sie in richtigen Menschenkleidern aussehen!“
Er warf einen bewundernden Blick auf Sylvis hübsches Kleid aus Waschseide. „Hören Sie mal, sind Sie entsetzlich hungrig?“
„Das bin ich immer.“
„Das sind Sie gar nicht, denn in Fornebu haben Sie wie ein Spatz gegessen. Also, wenn Sie imstande sind, Ihren Wolfshunger bis um halb zwei zu bändigen, könnten wir zusammen essen. Eher kann ich nicht loskommen. – Bonjour, Madame, avec plaisir…“ Jörn dienerte eine ältere, brillantenbehängte Dame in den Speisesaal und schob ihr eigenhändig den Stuhl am Tisch zurecht.
Plötzlich war Sylvi gar nicht so furchtbar hungrig. Sicher konnte sie bis halb zwei warten!
Sie schlenderte zum Parkplatz, betrachtete einige der imposanten Autos und machte dann einen Rundgang, um sich zu orientieren. Auf der Terrasse blieb sie stehen und blickte über den Strand. Wie schön, daß sie mitten am Tag freihaben sollte! Sie freute sich darauf, in den weißgekrönten Wellen zu schwimmen.
Ob wohl Jörn jemals mitten am Tag freihatte?
Aber vielleicht – vielleicht ging das nicht, daß sie hier badete? Nein, das ging sicher nicht an. Sie durfte nicht vergessen, daß sie zur Dienerschaft gehörte.
Ihre Augen suchten weiter, dem Bannkreis des Hotels entfernter. Ach, da war noch genügend Strand und Platz! Es fanden sich wohl einige Quadratmeter französischen Sandstrandes, wo ein kleiner norwegischer Chauffeur sich sonnen und in die blaue See waten konnte.
Der Speisesaal für die Dienerschaft war hell und geräumig und viel eleganter als irgendein Speisesaal in
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