Silvy macht ihr Glück
nie, ist nie unfruchtbar. Liebe zwischen zwei Menschen ist immer lebendig, immer reich und gebend. Ach, ich bin kein Dichter, Sylvi, ich kann nicht ausdrücken, was ich meine. Ich bin nur ein gewöhnlicher kleiner Mensch, der das größte Glück auf dieser Welt erlebt hat, nämlich zu lieben und geliebt zu werden.
Sylvi, Sie sind jung, Sie werden noch viele Männer treffen, viele können sich noch in Sie verlieben, aber sehen Sie sich vor, Sylvi, seien Sie erst ganz sicher über sich selbst. Es gibt genug junge Menschen, die sich aus Verliebtheit in eine Ehe stürzen. Wenn es einmal soweit ist, dann denken Sie daran, daß Sie mit dem Mann, dem Sie Ihr Jawort geben, ein ganzes Leben lang Zusammensein sollen. Und wenn es nicht der richtige Mann ist, dann kann Ihr Leben weggeworfen sein, statt daß jeder einzige Tag wie eine Gabe Gottes erscheint.“
Sylvi stoppte den Wagen.
„Entschuldigen Sie, Frau Allen“, ihre Stimme zitterte ein wenig. „Entschuldigen Sie, daß ich angehalten habe. Aber Sie verstehen: Es ist schon schlimm genug mit den Regentropfen auf der Scheibe, wenn es nun auch hier drinnen zu tröpfeln beginnt, dann wird es einfach ein bißchen zu viel!“
Dann trocknete sie ihre Augen, putzte ihre Nase und legte ihre Hand schüchtern auf die Frau Allens. „Danke, Frau Allen. Und… entschuldigen Sie, daß ich es sage, aber ich habe Sie sehr lieb.“
„Kind“, sagte Frau Allen nur, und ihre Stimme war weich und warm.
Gegen Mittag hielten sie an einem kleinen gepflegten Wirtshaus. Die Umgebung erinnerte Sylvi an den Ausflug mit Jörn, und sie lächelte. Wie schön hatten sie es an diesem Nachmittag gehabt, und wie dumm und blind war sie nachher gewesen und hatte den Abend verdorben.
Merkwürdig war aber, daß sie nicht vermochte, Frau Allen von Jörn zu erzählen. Über Jörn konnte sie nicht sprechen. Alles, was mit ihm zusammenhing, mußte sie für sich allein haben. Aber etwas anderes wollte sie Frau Allen beichten, und zwar sofort. „Frau Allen“, begann sie zögernd, als sie den Kaffee tranken, „ich möchte Ihnen gern etwas erzählen.“
„Ja, dann erzählen Sie nur, Kind.“
„Sie wissen, daß ich bei Dr. Ecker war, ehe ich zu Ihnen kam?“
„Ja, gewiß.“
„Kennen Sie ihn? Wissen Sie, wer sein Vater war?“
„Ja, ist er nicht der Sohn von dem Schiffsreeder, der so ein trauriges Ende nahm? Ein Glück, daß der Sohn schon Arzt war und sein Auskommen hatte.“
„Was bei der Tochter nicht der Fall war“, erklärte Sylvi lächelnd. „Doktor Ecker ist mein Bruder.“
„Ist er das, Sylvi? Aber Sie heißen doch…“
„Eriksen ja. So heißen auch mein Bruder und mein Vater. Vor einigen Jahren hat Vater jedoch eine Namensänderung beantragt, und Hegard und ich taten dasselbe. Aber auf meinem Taufschein und den meisten Papieren steht Eriksen, also insofern habe ich Sie nicht belogen.“
Frau Allen blickte Sylvi freundlich an.
„Sie sind ein tüchtiges Mädchen, Sylvi.“
„Weil es Spaß macht, Auto zu fahren?“ fragte diese lachend.
„Kleiner Schäker. Weil Sie sich so gut in den veränderten Verhältnissen zurechtgefunden haben.“
„Es wäre vielleicht nicht so leicht gegangen, wenn ich nicht ausgerechnet zu Ihnen gekommen wäre.“ Sylvi lächelte. „Und ich wollte die Zusammenhänge nicht erzählen, weil ich keine Gerede und Getue und kein Mitleid haben wollte. Ich war so froh und erleichtert, als Sie mich anstellten, ohne nach meiner Familie zu fragen. Übrigens waren die früheren Generationen einfache, vernünftige, alltägliche Menschen. Vater war allerdings reich, ich glaube sogar sehr reich, aber er gehörte im Gegensatz zu Ihnen zu den Neureichen. Mein Bruder pflegte schlicht und einfach zu sagen, daß wir Emporkömmlinge sind.“
Frau Allen lachte.
„Jedenfalls haben Sie einen guten Teil Vernunft von Ihren Vorfahren geerbt, Sylvi. Übrigens hatte Ihr Vater den allerbesten Ruf, und als die Katastrophe kam – ja, es stimmt, daß die Leute damals ,der Arme’ sagten. Aber kritisiert wurde er nicht, und es gab keine üble Nachrede.“
Abermals schwiegen sie. Dann bezahlte Frau Allen, und sie fuhren weiter.
„Wissen Sie, Sylvi, ich fühle mich jetzt sehr erleichtert. Es ist gerade so, als ob wir nun miteinander ganz im reinen wären. Jetzt freue ich mich richtig darauf, heimzukommen und Sie um mich herumpusseln zu sehen und daß Sie mich in Ihrem Eifer, die Pflichten einer Gesellschaftsdame nur ja zu erfüllen, recht stören.“
So endete dieses lange
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