Silvy macht ihr Glück
„Wir machen Ferien.“
„Ach, wo wollt ihr denn hin?“
„In ein neues Gebirgshotel, Reinfjell heißt es. Hegard bekam einen Prospekt geschickt, und es sieht so verlockend aus, daß wir nicht widerstehen konnten. Du weißt, Tore hat Bronchitis gehabt und braucht Höhenluft. Hier kannst du es betrachten.“ Hanne entnahm ihrer Handtasche einen Prospekt und zeigte die farbigen Bilder.
„Sieh mal, Dusche bei allen Zimmern, Tennisplatz, Spielzimmer für mitgebrachte Kleinkinder mit einer fest angestellten Spieltante. Welche Wohltat für die Mütter, die auch mal Ferien brauchen. Natürlich gibt es auch eine Bar. Und dann die große Veranda mit der Aussicht auf die Berge. Sie läuft parallel zum Speisesaal, und die ganze Wand ist aus Glas.“
Hanne plauderte und zeigte die Bilder mit wahrer Begeisterung. „Das wäre auch etwas für dich und Frau Allen. Behalte doch den Prospekt hier, und zeige ihn ihr. Vielleicht ist sie davon so beeindruckt, daß ihr eines schönen Tages mit dem Auto vor der Eingangstür aufkreuzt.“
Sylvi gab Frau Allen den Prospekt, und sie studierte ihn eingehend.
„Das sieht ja phantastisch aus, Sylvi“, sagte sie. „Sagen Sie mal, wollten Sie mich damit verlocken, noch etwas Urlaub zu machen, oder was?“
„Nein“, erklärte Sylvi lachend. „Aber ich dachte, es würde Sie interessieren. Ich finde, wir hatten genug Urlaub, und außerdem habe ich ja den lieben langen Tag Ferien. Nie im Leben hatte ich so wenig zu tun.“
„Nun, Jensen hat das nie gesagt. Er fand immer, ein Auto sei genug, einen Mann ständig in Atem zu halten, neben dem bißchen Jäten im Garten.“
„Jäten!“ rief Sylvi begeistert. „Garten! Endlich etwas Nützliches, das ich tun kann.“
„Aber meine liebe Sylvi, der Gärtner kommt doch jede Woche einmal hierher.“
„Ach bitte, erlauben Sie es mir doch“, rief Sylvi. „Das ist ja etwas, das ich tun kann. Ich bin eine Expertin, wenn es gilt, die Wege zu harken, und wenn es etwas umzugraben gibt, bin ich die reine Kapazität.“
„Ja, wenn Sie nur Ihre Kräfte gebrauchen können“, lachte Frau Allen.
Also begann Sylvi jetzt in dem großen Garten zu arbeiten, und es machte ihr Spaß. Und während sie auf den Knien lag, um die Rabatten zu jäten, oder die langen, breiten Gartenwege harkte, gingen ihre Gedanken viele seltsame Wege.
Meist gingen sie nach Süden, und am liebsten verweilten sie in einer französischen Bauernküche mit einem Himmelbett, Hühnern, die auf dem Steinboden herumtrippelten, und einer kleinen grauen Katze, die Milch leckte.
Was Jörn jetzt wohl tat? Würde sie jemals wieder von ihm hören?
„Ich vergesse dich nicht, Sylvi.“
Das waren die letzten Worte, die er zu ihr gesagt hatte. Ach, was für ein Idiot war sie doch gewesen! Warum hatte sie die kostbaren Tage verschwendet? Warum war sie Jörn so oft aus dem Weg gegangen?
Und warum hatte sie den einzigen Abend verdorben, den sie zusammen hätten verleben können? Sylvi war der Meinung, daß sie vieles gutzumachen hätte.
Dann fuhr sie eines Tages mit Frau Allen nach Ringerike, um das alte Fräulein Allen abzuholen.
„Ich muß über meine Schwägerin lächeln“, erzählte sie unterwegs. „Gestern hat sie mich angerufen und gesagt, ich dürfe nur Sie schicken und keinen anderen. Denn jetzt sind Sie in ihren Augen der einzige Chauffeur, der etwas taugt.“
Sylvi befand sich nun auf bekannten Straßen, und ihre damalige Fahrt mit Jörn kam ihr schmerzlich zum Bewußtsein. Ja, schmerzlich, das war es, denn Jörn war doch so weit weg, und da war so viel, so schrecklich viel, über das sie mit ihm hätte reden wollen. Sie wäre so gern ungestört mit ihm zusammengewesen, nicht bloß im Vorbeigehen in der Halle eines großen Hotels, nicht bloß bei eiligen Mahlzeiten, zusammen mit einem Haufen ganz gleichgültiger Menschen. Sie wünschte sich, mit ihm beisammenzusitzen in einer großen, friedlichen Bauernküche oder auch an einem anderen Ort, irgendwo, wo man ungestört sein konnte.
Sie hatte Sehnsucht nach dem ehrlichen Blick Jörns. Der würde den letzten Rest der Erinnerung auslöschen an ein anderes Gesicht, ein dunkles, sonnengebräuntes mit heißen Augen und einem Mund, der Dinge sagen konnte, die einem norwegischen Mädchen den Kopf verdrehen mußten.
Fräulein Allen war sanft und freundlich und entzückt, daß sie von der Schwägerin und Sylvi abgeholt wurde. Als sie hörte, daß Sylvi zur Gesellschafterin ernannt worden war, zeigte sie sich begeistert.
„Das
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