Silvy macht ihr Glück
Gespräch damit, daß beide in ein herzliches und erfrischendes Lachen ausbrachen.
Klara machte große und erstaunte Augen, als sie den Bescheid bekam, sie solle Sylvi helfen, ihre Sachen in das Gästezimmer zu bringen, das Frau Allens Schlafzimmer direkt gegenüberlag.
„Ja, weißt du, ich bin befördert worden“, erklärte ihr Sylvi. „Ich soll mich neben meiner Tätigkeit als Chauffeur als Gesellschaftsdame bei Frau Allen versuchen.“
„Du verstehst es schon, dich einzurichten“, murmelte Klara.
Sie schloß die Tür etwas hart und zog Sylvis Koffer nicht gerade mit zarter Hand in den hübschen Raum, der von nun an „Fräulein Eckers Zimmer“ hieß.
„Ja, die gnädige Frau findet es besser, daß ich den Namen meines Vaters trage“, erklärte Sylvi den beiden Hausgehilfinnen.
Sylvi stürzte sich mit Feuereifer in ihre neue Aufgabe. Es war übrigens keine schwere Aufgabe, wie sich zeigte. Frau Allen gefiel es, Sylvi während der Mahlzeiten bei sich zu haben, und sie hatte es gern, am Abend mit ihr zu plaudern. Beides schien Sylvi mehr eine Annehmlichkeit denn eine Belastung zu sein. Aber die Schranke zwischen ihnen war beseitigt, der Abstand war fort, und das war die Hauptsache.
Bei den Autotouren saß Frau Allen jetzt immer vorn neben Sylvi. So konnten sie sich besser unterhalten, und sie entdeckten bald viele gemeinsame Interessen. Beide liebten die Natur, die norwegische Landschaft, und beide hatten Sinn für Humor.
„Frau Allen“, sagte Sylvi eines Tages, als sie beim Kaffee saßen, „können Sie mir nicht sagen, worin die Pflichten einer Gesellschaftsdame eigentlich bestehen? Es schwebt mir so was wie Vorlesen vor, und dann soll sie wohl Einladungen ausschreiben, wenn eine Gesellschaft gegeben wird, und beim Staubwischen helfen. Ich muß schon sagen, meine Begriffe darüber sind recht unklar, ich bin ja nie zuvor Gesellschaftsdame gewesen.“
„Und ich habe nie eine gehabt“ meinte Frau Allen lachend. „Ich fürchte, meine Begriffe sind auch recht unklar. Aber versuchen Sie bloß nicht, die Blumen zu gießen oder Staub zu wischen! Das ist Klaras Domäne, und wir dürfen uns da nicht einmischen.“
„Also bleibt uns nur das Vorlesen übrig“, seufzte Sylvi.
„Ja, das wäre vielleicht gar nicht so dumm. Ich habe gerade ein neues Buch geschickt bekommen, kennen Sie es, Sylvi? Eine Biographie über Sigrid Undset. Vielleicht würde es uns Freude machen, es zusammen zu lesen.“
Also begann Sylvi mit dem Vorlesen, und es gefiel ihnen beiden sehr gut. Frau Allen strickte oder stickte während dieser Zeit. Sie war geschickt in Handarbeiten, und Sylvi, die es nie weiter gebracht hatte als zu einem wunderlichen, harten, schmutzigen Strumpf in der Volksschule und zu einer Hemdbluse, die allem anderen eher glich als einer Hemdbluse, sah mit Bewunderung auf Frau Allens flinke Finger. Sie erzählte auch, wie ungeschickt sie selbst in dieser Hinsicht sei.
„Meine Liebe, das ist doch gar nicht schwer“, sagte Frau Allen. „Kommen Sie her, dann will ich es Ihnen zeigen.“
Sylvi blickte zwar recht skeptisch, aber sie setzte sich gehorsam zu Frau Allen und ließ sich belehren.
Eines Tages waren sie gerade wieder mit Handarbeiten beschäftigt, als Klara in der Tür erschien.
„Eine Frau Ecker ist hier!“ meldete sie.
„Oh“, Sylvi blickte Frau Allen fragend an. Was tat eine Gesellschafterin, wenn sie Besuch bekam? Eine neue Etikettefrage.
„Führen Sie Frau Ecker herein, Klara“, sagte Frau Allen ruhig. Dann kam Hanne und vergaß erstaunt zu sein, daß Sylvi sie im Salon empfing, vergaß Frau Allen höflich zu begrüßen, vergaß, kurz gesagt, alles aus lauter Verblüffung: Saß ihre Schwägerin nicht da und strickte!
Aber dann nahm sie sich zusammen und begrüßte Frau Allen, die lieb und freundlich war und sich ein paar Minuten mit Hanne unterhielt.
„Ja, Sylvi, ich muß ein paar Briefe schreiben, vielleicht gehen Sie mit Ihrer Schwägerin in den Wintergarten. Und bitten Sie Klara, Ihnen eine Tasse Tee zu bringen.“
„So hast du es also“, sagte Hanne, als sie allein waren. „Und ich dachte, ich würde hier in ein Dienerzimmer geführt, müßte auf einem Holzstuhl sitzen und ein schlechtes Gewissen haben, weil ich dich von der Arbeit abhalte.“
Sylvi lachte.
„Weißt du, Hanne, ich hatte mit meiner Stellung schon rechtes Glück. Im Ernst, Frau Allen ist ein Engel. Und was führt dich denn hierher, liebe Schwägerin?“
„Es ist ein Abschiedsbesuch“, sagte Hanne.
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