Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
was passiert mit Klaus-Dieter. Wundern würd’s mich nicht.“
Herr Schweitzer schüttelte den Kopf und sah Theophilos in die dunklen Augen. „Glaub ich nicht. Bestimmt hat er das alles nur inszeniert, um sich mal wieder ins Gespräch zu bringen.“
„Wir werden sehen.“
„Ja. Und mach mir mal die Rechnung fertig.“
Es stand zu befürchten. Einer der ganz seltenen Momente, vor denen Simon Schweitzer nicht ausweichen konnte. Mit der Rechnung kam das Grauen in Form eines vier Zentiliter-Ouzo-Glases, das auch schonungslos bis zum Vier-Zentiliter-Eichstrich gefüllt war. Theophilos’ Augen strahlten um die Wette. Seine Roxane sah es gar nicht gerne, wenn ihr Mann sich am Ouzo verlustierte, aber der Kunden wegen drückte sie in solchen Fällen ein Auge zu. Und wenn sie nicht hinsah, wurde flugs ein doppelter daraus, der Unterschied ließ sich späterhin ja nicht riechen. Früher, wenn sie meist zu dritt oder viert hier Beim Zeus waren, hatte Theophilos Herrn Schweitzer nie so gedrängt. Das Problem des überzähligen Ouzo, das ob Simon Schweitzers standhafter Weigerung entstanden war, hatte er meist gelöst, indem er ihn kurzerhand selbst hinunterspülte. Für ihn hatte Theophilos immer einen mit auf dem Tablett stehen gehabt.
„Na, dann wollen wir mal“, sprach der griechische Wirt, hielt das Glas ins Licht, begutachtete kurz das edle Tröpfchen, hielt es für würdig und trank es hinfort.
Simon Schweitzer schauderte es gewaltig. Er stellte das Atmen durch die Nase ein und tat es Theophilos gleich. Ein Lavastrom hätte das Brennen in der Speiseröhre nicht besser inszenieren können. Er stellte das Glas ab. Tränen traten ihm in die Augen.
„Noch einen?“ Theophilos war ganz aufgeregt.
„Ach, laß mal. Manchmal ist weniger mehr.“
„Wie meinst du das? Da ist doch keine Logik dahinter.“
„Ich will damit sagen, um Gott nicht unnötig zu erzürnen, sollten wir es mit dem Guten nicht übertreiben, sonst würde eine Orgie daraus.“ Der Atheist Herr Schweitzer kam sich sehr listig vor.
Theophilos sah ihn mißtrauisch an und suchte fieberhaft nach einem Schnitzer oder einer Ungereimtheit in den Worten, fand aber weder noch. Er schwenkte um: „Du kannst ja, wenn du willst, am Dienstag mal vorbeikommen. Da tagt die BI mit Guntram hier.“
„Ich überleg’s mir mal.“
„Schön, dich mal wieder gesehen zu haben. Kaliníchta.“
„Kaliníchta.“
Die Nacht war hereingebrochen. Sonntags Ruhetag, stand auf einem kleinen Schild im Fenster vom Weinfaß. Daß ich mir das auch nie merken kann, fluchte Simon Schweitzer ein wenig. Der Ouzo hatte ihm Übermut verliehen. Und so beschloß er, doch mal eine Lokalität in der Textorstraße, sozusagen bei ihm um die Ecke, zu erkundschaften, in und vor der sich allerlei Jungvolk herumtrieb. Sein Charakter ließ ihn zögern einzutreten, aber er gab sich einen Ruck. Als Gegengift zum Ouzo bestellte er sich bei einer Kindfrau – oder kam ihm das nur so vor? – eine große Cola. Und dann traf es ihn wie eine Erleuchtung. Fürchtegott. Genau, Daniel Fürchtegott Meister. Was für ein Name. Im Geiste waren sie jetzt wieder komplett, die Vier von der Sachsenhäuser Bürgerinitiative gegen die Startbahn West. Magistratsmitglied Klaus-Dieter Schwarzbach, Pfarrer Guntram Hollerbusch, das Nesthäkchen Daniel Fürchtegott Meister und er selbst. Die Cola kam und das Mädchen schenkte Simon Schweitzer ein Lächeln gratis dazu. Er hatte sich ein wenig abseits gesetzt, um nicht zu sehr aufzufallen. Allesamt hier hätten vom Alter her seine Kinder sein können. Kritisch betrachtete er sich in einem der vielen Spiegel. Er sollte mal wieder zum Friseur gehen, seine mittellangen graublonden Haare standen ungebändigt und wie elektrisiert nach allen Seiten ab. Auch was die Mode anging, fühlte sich Herr Schweitzer wie ein Fremdkörper. Man trug wieder Schlaghosen, doch anders als in den Siebzigern, silbrig glänzend. Auch die Frisuren der jungen Hüpfer und Hüpferinnen kamen denen von damals verdächtig nahe. Unauffällig versuchte Simon Schweitzer, seine Haare durch Plattdrücken in Form zu bringen. Beim erweiterten Hosenvergleich schnitt er schon besser ab, Cord schien auch wieder zeitgemäß zu sein. Er begann sich wohler zu fühlen, niemand schien an dem alten Knacker dort in der Ecke Anstoß zu nehmen, man war sich selbst genug. Der groovende Rhythmus lief unter dem Begriff Dancefloor und gefiel ihm sehr. Simon Schweitzer wurde locker und geschmeidig und dachte wieder an
Weitere Kostenlose Bücher