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Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.

Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.

Titel: Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Dreißig
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Kadabra Bim klappte die Zeitschrift zu und überlegte.
    Natürlich sollte der Junge eigentlich in die Schule. Aber auf den Kongress der Zauberer in Indien wollte er auch nicht gern verzichten. Man traf sich ohnehin viel zu selten mit seinesgleichen. Ob er Simsala allein auf Feste Hokuspokus zurücklassen konnte? Nein, das kam nicht in Frage. Er war dazu noch viel zu klein, und selbst wenn er ausnahmsweise keinen Unsinn anstellte - der alte Zauberer traute ihm das durchaus zu -, so würde ihm die Zeit allein doch sehr lang werden.
    »Könnte ich nicht solange zu Ruth?«, schlug Simsala plötzlich vor, »dann kannst du getrost nach Indien fliegen,
    und ich bin trotzdem gut versorgt.«
    Abra Kadabra Bim klatschte in die Hände.
    »Ja, das wäre eine Lösung«, pflichtete er seinem Sohn bei,
    »wenn Ruths Mutter einverstanden ist.«
    »Warum sollte sie denn nicht einverstanden sein?«, fragte Simsala erstaunt zurück.
    Die Frage blieb offen.
    Plötzlich fiel Herrn Bim nämlich ein, dass sie ja noch gar nicht zu Mittag gegessen hatten. Schnell setzten sie sich an den großen Tisch mit der blauen Samttischdecke. Abra Kadabra Bim wünschte sich Reis mit Hühnchen und Ananas und viel indischem Curry. Simsala aß Pfannkuchen mit Apfelmus ohne Curry. Beide freuten sich schon auf die Abwechslung.
    Ruth führte einen Freudentanz auf, als Simsala sie am nächsten Morgen fragte, ob er für ein paar Tage bei ihr wohnen könnte.
    »In drei Tagen habe ich Geburtstag«, rief sie, überlegte und setzte dann etwas unsicher hinzu: »Oder in vier. Das wäre toll, wenn du dann bei mir wärst.« Frau Reiter las am Nachmittag den Brief von Herrn Bim mit der Anfrage, ob Simsala zu ihnen kommen könnte, nicht ganz so freudig. Ruth bemerkte es bestürzt.
    »Du erlaubst es doch, Mutter, oder?«, quengelte sie. »Sim-sala ist so lieb und so lustig.« Ihre Mutter glaubte das gern.
    »Ich fürchte aber, ein kleiner Zauberer ist vielleicht etwas zu Lustiges für unsere winzige Wohnung«, gab sie zu bedenken, »vor allem, wenn ich tagsüber gar nicht da bin. Du weißt doch, dass ich dreimal in der Woche bei Rössners putzen gehe. Und außerdem hast du Geburtstag.« Ruth versprach ihr mit allen heiligen Schwüren, die ihr einfallen wollten, dass sie so artig sein würde, wie die Mutter es noch nie erlebt hatte, wenn Simsala bei ihnen wohnen dürfte. Sonst aber würde sie -»Erpressung«, nickte Frau Reiter, »ich verstehe. Es bleibt mir keine Wahl. Aber dann bitte ich mir aus, dass du mit dem Artigsein sofort beginnst.«
    »Gleich«, jubelte Ruth ausgelassen. Dann sprang sie an ihrer Mutter hoch und drückte sie mit all ihrer Erstklässlerinnenkraft. Das war schon ziemlich viel.
    Als sie die Mutter fertig gedrückt hatte, sagte sie: »So, jetzt«, und war von Stund an wirklich so erstaunlich artig und hilfsbereit, dass ihre Mutter sie kaum wiedererkannte. Unaufgefordert zog sie mit der Gießkanne los, um die Blumen auf allen Fensterbänken der Wohnung zu versorgen, mit dem Staubtuch rückte sie allen polierten Flächen zu Leibe. Dann wollte sie auch noch ganz freiwillig den Herd putzen.
    »Lass gut sein, mein artiges Mädchen«, sagte da Frau Reiter, »sonst vergisst du vor lauter Bravsein, dass du ja noch deine Hausaufgaben machen musst.«
    Da seufzte Ruth, aber weil sie es nun einmal versprochen hatte, beugte sie sich brav über ihr Heft und begann, ohne zu murren, ihr Weizenbild zu malen - halt so, wie Ruth sich Weizen vorstellte: mannshohe Halme, die in den Ähren Körner so groß wie Hühnereier trugen. Es wurde wirklich ein prächtiges Bild.

Zwei frohe Kinder und eine Menge tropfender Tinte
    Ruth konnte es am nächsten Morgen kaum erwarten, dass Simsalas Teppich sich zeigte. Aufgeregt sprang sie auf dem Schulhof umher, lief einen Augenblick später im Treppenhaus bis zum obersten Stockwerk hinauf und stellte sich auf die Zehenspitzen, um auszuprobieren, ob sie den kleinen Zauberer durch die Fenster dort oben vielleicht früher erspähen könnte. Dann meinte sie aber, unten wäre es doch besser, und trabte wieder zurück ins Freie. Doch die Unruhe trieb sie schon nach einer kurzen Weile aufs Neue die Treppe hinauf. Als Ruth dachte, jetzt müsste es gleich zum Unterricht läuten, und der kleine Zauberer sei gewiss erkrankt, stand Simsala plötzlich einfach da. Er war gelandet, als Ruth eben wieder einmal die Treppe hinaufgestürmt war, und hatte seinen Teppich schon aufgerollt unter dem Arm. Als er das Mädchen sah, zog er die Augenbrauen fragend

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