Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
Stichwort auf. »Lahme Kiste«, schrie ein dritter.
»Vielleicht sind die Motten drin«, vermutete nun der erste Junge laut.
»Kein Benzin mehr«, lachte der zweite.
Plötzlich war ein neues Spiel im Gang, ein Spiel, das dem kleinen Zauberer allerdings überhaupt nicht gefiel. Es wurmte ihn sehr, dass die Kinder seinen Teppich schlecht machten.
»Passt nur auf«, flüsterte er und tätschelte den Teppich, wie ein Reiter sein braves Pferd tätscheln mag. Auf einmal machte der Teppich einen Satz und sauste im Steilflug auf das oberste Stockwerk der Schule zu, dass der Rektor sich erschrocken duckte und hinter der Fensterbrüstung Deckung suchte. Der Teppich mit dem kleinen Zauberer flog knapp über das Schulhausdach, umrundete einmal den Schornstein und stürzte dann in sausender Fahrt auf den Kreis der Kinder hinab. Die stoben schreiend auseinander.
Da zügelte der kleine Zauberer seinen Teppich wieder und ließ ihn sanft neben seinem Lehrer landen. »Vielen Dank, dass Sie mir suchen geholfen haben«, sagte er höflich und verbeugte sich. »Nun komme ich doch wieder nach Hause.«
»Mach nur schnell«, erwiderte Herr Martin lächelnd, »damit dein Vater nicht vor Sorgen noch kränker wird. Bis morgen, Simsala.«
»Bis morgen, Herr Martin«, rief Simsala. Aber er zögerte noch.
»Hast du noch etwas auf dem Herzen?«, fragte der Lehrer freundlich.
»Die Hausaufgaben«, flüsterte Simsala so leise, dass Herr Martin es kaum verstehen konnte, »darf ich die machen, obwohl ich den Teppich nicht selbst gefunden habe?«
»Mach du die Hausaufgaben, mein Kind«, lachte Herr Martin, »aber ohne Zaubern.« Und er drohte Simsala freundlich mit dem Finger. »Ohne Zaubern«, versprach der Junge und hatte es plötzlich sehr eilig.
Geschwind hockte er sich nieder und machte die wegwerfende Bewegung mit der Rechten. Ab ging die Fahrt. »Voll durchgestartet«, stellte der Junge fest, der den Teppich »lahme Ente« genannt hatte, und blickte dem kleinen Zauberer bewundernd nach, der gerade noch als kleiner Punkt in der Ferne zu erkennen war.
Weizensäen
Simsala war heute spät dran. Er hatte, ehrlich gesagt, auf dem Weg getrödelt, denn es war ein wunderbarer Sonnenmorgen, und der Teppich flog so schön gleichmäßig dahin. Da hatte der Junge sich auf den Rücken gelegt, sich von der warmen Sonne den Bauch bescheinen lassen und war, ehe er sich's versah, plötzlich eingenickt. Hätte der Teppich nicht auf einmal einen kleinen Satz gemacht - vielleicht hatte Vater Abra Kadabra Bim mit seiner Kristallkugel nachgesehen, was Simsala auf dem Schulweg wohl trieb, und ein wenig nachgeholfen der kleine Zauberer hätte die erste Stunde des Unterrichtes noch ganz versäumt. So aber fuhr er erschrocken aus seinem Schläfchen auf, tätschelte den Teppich, damit er Fahrt aufnahm, und jagte in größtem Tempo weiter. Es läutete eben, da kam Simsala durch das offene Klassenfenster gesaust, bremste den Teppich ab, indem er einmal über die erschrockenen Erstklässler hinwegkurvte, und landete mit einem ziemlichen Bums neben seiner Bank »Da bin ich«, sagte er mit rotem Gesicht, obwohl die anderen Kinder das natürlich längst gemerkt hatten. Schnell rollte er den fliegenden Teppich zusammen und verstaute ihn im Klassenschrank. Dann war er soweit.
»Dann können wir ja beginnen, wenn du da bist, Simsa-la«, bemerkte Herr Martin und versuchte, recht streng zu schauen.
Aber es gelang ihm nicht. Dem kleinen Zauberer, wie er da stand mit den vom Fahrtwind zerstrubbelten Haaren, den leuchtend roten Backen und der Armesündermiene, konnte er einfach nicht böse sein.
»Steh morgen etwas früher auf«, schlug der Lehrer leise vor.
»Vielleicht sollte ich lieber etwas später schlafen gehen«, erwiderte ebenso leise der Junge, »nicht schon auf dem Schulweg.«
Dann begann der Unterricht.
Er begann damit, dass Herr Martin sich über seine Aktentasche beugte und darin herumkramte. Eine ganze Weile raschelte es geheimnisvoll. Die Erstklässler gerieten ordentlich in Spannung. An dem, was Herr Martin dann zum Vorschein brachte, schien allerdings wenig Spannendes zu sein.
»Och, Körner«, rief Rüdiger enttäuscht, »mag ich nicht.« Die anderen Kinder sagten nichts, sie wussten auch nicht, was sie hätten sagen sollen. Manche von ihnen hatten solche Körner, wie der Lehrer zeigte, noch nie gesehen, auch Simsala nicht.
»Es ist Weizen«, erklärte Herr Martin, »und wir wollen ihn nicht essen, sondern aussäen. Heute ist ein viel zu
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