Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
ließ.
Es war Herrn Martin auch egal, dass die übrigen Kinder heute einmal nicht mit Kieseln, sondern mit Knallerbsen rechneten, solange nur das richtige Ergebnis dabei herauskam und es nicht zu oft »popp« auf dem Fußboden machte. »Nun packt eure Knallerbsen und eure Zebras weg!«, befahl Herr Martin endlich.
Er musste sich Mühe geben, nicht zu lachen, als er beobachtete, wie Simsala daraufhin erschrocken sein Rechensäckchen über die linke Schulter warf. Rüdiger, der hinter dem kleinen Zauberer saß, duckte sich, um nicht getroffen zu werden. Aber es kam natürlich gar nichts geflogen, was ihn hätte treffen können. Nicht über die linke Schulter eines Zauberers!
So ging das also heute im Unterricht der la zu, weil Simsala sich freute, dass er Ruth besuchen durfte. Am Ende war Herr Martin genauso glücklich wie die Kinder, dass die Schule aus war. Er würde Fräulein Dorothea Haller wieder etwas zu erzählen haben.
Bei Ruth zu Hause
Simsala nahm seinen Koffer und folgte Ruth. Ganz fest hielt er ihre Hand, als sie mit ihm zwischen fahrenden Autos die Straßen überquerte. Auf Feste Hokuspokus gab es keine Straßen und auch keine Autos, und so war alles, was er jetzt aus der Nähe zu sehen bekam, Simsala ganz fremd. Bisher hatte er Autos gern gemocht. Er kannte sie als kleine Punkte, die tief unter seinem fliegenden Teppich auf schmalen Bändern eifrig hintereinander herkrochen. Jetzt aber zeigten sie sich ihm plötzlich als drohend brummende Ungetüme, die ungeheuer schnell auf ihn zugebraust kamen und ihm, wenn sie vorübergestoben waren, auch noch ihren stinkenden Atem in die Nase bliesen. Der kleine Zauberer bewunderte Ruth, die nur kurz nach links und nach rechts schaute und ihn dann flink mit sich über die Straße zog, als gäbe es keinen Grund zur Sorge. Ja, an der Hand des Mädchens brauchte Simsala keine Angst zu haben.
Aber ganz sicher fühlte er sich erst, als sie endlich vor Ruths Wohnung angekommen waren.
Ruth klingelte, aber es öffnete niemand. Sie versuchte es noch einmal. Aber wieder geschah nichts.
»Mutter ist nicht da«, erklärte sie dem kleinen Zauberer und zuckte mit den Schultern, »aber die Nachbarin hat auch einen Schlüssel zu unserer Wohnung.« Die Nachbarin wusste auch, dass Frau Reiter mittags nicht nach Hause kommen konnte, da sie bei Rössners gebraucht wurde.
»Frau Rössner ist krank«, sagte sie zu Ruth, »und deine Mutter muss dableiben und dem alten Herrn das Mittagessen kochen. Du sollst mal sehen, was ihr noch im Kühlschrank habt, lässt deine Mutter ausrichten.« Das war ja eine unerfreuliche Überraschung. Die beiden Kinder betraten die Wohnung.
Simsala hätte sich am liebsten überall zugleich umgeschaut. So sah es also bei gewöhnlichen Menschen aus. Da hingen neben der Eingangstür jede Menge Mäntel und Jacken. Da lagen auf einem Brett Mützen und Hüte und Schals. Da war ein Schrank mit vielen Schuhen, größeren und kleineren. Sein Vater hätte einiges zu winken gehabt, bis es hier so hübsch leer und ordentlich aussähe wie auf Feste Hokuspokus.
Aber das wusste der kleine Zauberer natürlich längst: Gewöhnliche Menschen mussten vieles haben, was er und sein Vater sich einfach herbeizaubern konnten, wenn sie es brauchten.
»Komm doch hierher«, hörte er Ruth rufen und folgte ihr durch eine der Türen, die vom Flur abgingen. »Was ist denn das?«, fragte der kleine Zauberer und blickte sich erstaunt um.
»Unsere Küche«, erwiderte Ruth, »sieht die so anders aus als bei euch?«
»Ganz anders, und ob!«, erwiderte Simsala.
Dann musste das Mädchen ihm alles erklären: den Herd, auf dem man Essen warm machen, und den Kühlschrank, in dem man Essen kalt machen konnte, die Kaffeemaschine und den Toaster und den Staubsauger, der in der Ecke stand. Simsala war voller Bewunderung. »Kennt ihr aber tolle Tricks«, lobte er. Ruth aber hatte Hunger.
»Jetzt essen wir erst«, entschied sie, »und dann kannst du dich umgucken.«
Aber im Kühlschrank waren keine Reste mehr. »Was machen wir denn nun?«, überlegte Ruth laut. »Kochen kann ich nicht so gut.«
»Was hättest du denn gern?«, fragte Simsala vorsichtig. »Pfannkuchen«, erwiderte das Mädchen. »Meine Mutter wollte uns welche machen. Aber nun wird nichts draus.«
»Vielleicht doch, Ruth«, sagte Simsala, »ich kann ganz gut kochen, wenn du mich lässt.«
»Pfannkuchen auch?«, fragte das Mädchen erstaunt. »Pfannkuchen ganz besonders«, antwortete Simsala. »Aber du musst solange
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