Simsala. Die Geschichte Eines Kleinen Zauberers.
Reinicke seine Hand. »Bloß nicht wischen«, warnte sie, »das macht alles nur noch schlimmer. Da muss man mit Seifenlauge ran.«
»Die habe ich aber nicht«, meinte der kleine Zauberer verlegen.
»Aber ich«, stellte Frau Reinicke klar.
Sie meinte es ganz freundlich. In Simsalas Ohren aber klang es wie eine Drohung.
»Komm schon mit, Kleiner«, forderte sie den Jungen auf und wandte sich dem Heizungskeller zu.
Simsala, den zusammengerollten Tepich unter dem Arm, den kleinen Koffer in der Hand, folgte ihr betreten.
»Lass bloß das Wischen«, ermahnte Frau Reinicke den Jungen, als sie ihn schon wieder an seinen Kakaoflecken herumfingern sah. »Du kannst mir ruhig glauben. Auf Dreck verstehe ich mich schon von Berufs wegen.«
Als sie im Heizungskeller angekommen waren, streckte Frau Reinicke die Hände aus.
»Gib mal her, das gute Stück«, sagte sie.
Gehorsam zog Simsala die feine Rüschenbluse aus und reichte sie ihr.
Frau Reinicke stopfte sie in eine Blechwanne und ließ ziemlich heißes Wasser einlaufen. Aus einer Schachtel goss sie Waschpulver dazu. Den kleinen Zauberer stach plötzlich der Hafer. »Machen Sie es nicht zu heiß«, warnte er die Putzfrau, und es klang auf einmal gar nicht mehr ängstlich, sondern recht keck, »Rüschenblusen sind nämlich arg empfindlich.«
Frau Reinicke machte eine abfällige Bewegung mit der Linken. Hätte sie zaubern können, hätte Simsala jetzt vom Erdboden verschwinden müssen. Zum Glück konnte Frau Reinicke nicht zaubern. Aber sie brummte: »Wem sagst du das? Ich kenne mich doch aus. Ist Baumwolle, keine Seide. Die verträgt es handwarm und sogar ein bisschen wärmer.«
»Ich meine ja nur«, erwiderte der kleine Zauberer, »es ist nämlich meine einzige, wissen Sie?« Die Putzfrau hörte ihm kaum zu. Als die Wanne vollgelaufen war, rührte sie mit beiden Händen im Wasser herum, dass sich das Pulver ordentlich verteilte, nahm dann die Bluse und begann, indem sie Stoff gegen Stoff rieb, den Kakaofleck zu bearbeiten.
Nach einer Weile hob sie die tropfende Bluse heraus - und erschrak. Der braune Fleck war viel größer geworden als vorher und schimmerte ölig.
»Heiliges Kanonenrohr«, entfuhr es der Putzfrau, »was ist denn das?«
»Schmieröl vielleicht«, versuchte Simsala den Fleck zu erklären, »von meinem fliegenden Teppich. Sie wissen doch -«
Frau Reinicke nickte. Dann machte sie sich aufs Neue ans Werk. Jetzt aber sah sie ein, dass das Stoffreiben allein nichts bringen würde, und holte sich eine Nagelbürste, die neben dem Waschbecken lag. Kaum hatte sie ein-, zweimal damit den Stoff bearbeitet, da machte es leise »ritsch-ratsch«.
Erschrocken ließ sie die Bürste in die Seifenlauge fallen, aber das half nichts.
»O weh«, jammerte hinter ihrem Rücken der kleine Zauberer, »meine schöne Bluse, meine einzige Rüsphenbluse. Jetzt ist sie ganz kaputt.«
Die Putzfrau stand da wie ein begossener Pudel und starrte auf die verunglückte Wäsche in ihren Händen. Wie hatte das nur geschehen können? Fassungslos zuckte sie mit den Schultern.
»Was ziehst du denn nun an?«, fragte sie endlich den kleinen Zauberer.
»Ich weiß nicht«, erwiderte der treuherzig, »in meinem Koffer habe ich nur einen Schlafanzug und Wollsocken.« Frau Reinicke kramte in einem Schrank und brachte endlich ein kurzärmliges Hemd von Trudel hervor, das einmal gelb gewesen, inzwischen aber ganz ausgewaschen war.
»Nimm das mal«, brummte sie verlegen. Simsala zog es an. Es reichte ihm bis an die Knie, dafür rutschte es ihm oben fast über die schmalen Schultern. »Geht gut«, fand Frau Reinicke. »Muss gehen«, verbesserte sie sich, als sie noch einmal hingeschaut hatte. »Danke, Frau Reinicke«, sagte Simsala artig. »Und nun darf ich wohl gehen?«
»Geh du nur«, brummte Frau Reinicke, »mit deiner verdreckten Samthose kann ich dir sowieso nicht helfen. Schmieröl, das ist auch was.« Simsala machte sich aus dem Staub. Im Jungenklo schlüpfte er flink aus dem gelb gewesenen Hemd von Trudel und zauberte sich stattdessen eine neue strahlend weiße Rüschenbluse. Die Flecken auf der Hose entfernte er mit dem üblicken kurzen Wink seiner Linken. So, nun war er wieder fein genug, um Ruth und den übrigen Klassenkameraden gegenübertreten zu können. Er überlegte noch, was er mit Trudeis Hemd tun könnte, als er an der Ecke des Schulhauses schon wieder Frau Rei-nicke in die Arme lief.
Die Putzfrau sperrte die Augen auf, als sähe sie ein leibhaftiges
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