Simulacron-Drei
absolute Gewißheit zuteil geworden. Ich konnte nur dafür dankbar sein, daß ›Man‹ sie erfolgreich umorientiert hatte, daß sie sich nicht der Gefahr gegenübersah, die mir drohte. Sie nahm meine Hand und wandte sich zur Tür.
»Vielleicht können wir fliehen, Doug! Vielleicht finden wir ein Versteck!«
Als ich mich nicht rührte, ließ sie meine Hand los.
»Nein«, sagte sie bedrückt, »es gibt keinen Ausweg mehr. Man wird uns finden.«
Sie wußte nicht, wie sehr das der Wahrheit entsprach. Und ich fühlte unendliche Erleichterung, weil sie nicht ahnte, wie vieldeutig dieses ›Man‹ war.
Ich hörte draußen ein Geräusch und ergriff mein Gewehr. Am Fenster schob ich die Vorhänge auseinander, sah aber nur ein Reh, das sich durch die Hecke zwängte.
Wachsam hob es den Kopf und blickte zum Haus herüber. Da sich meine Furcht als grundlos erwiesen hatte, ließ ich den Vorhang wieder los. Aber mit einem Male erstarrte ich. Zu dieser Jahreszeit gab es in dieser Gegend kaum Rehwild. Ich wandte mich wieder dem Fenster zu.
Das Tier sprang auf Jinx’ Wagen zu, blieb davor stehen und beäugte die offene Tür.
Ich schloß die Finger fester um das Lasergewehr. Das Rehwild in dieser unteren Welt mochte nur aus Pappe sein, als Schatten vor dem Illusionshintergrund, um den Anschein der Wirklichkeit zu verstärken. Aber andererseits konnten sie auch ebensoviel pseudophysiologische Eigenart besitzen, wie die ID-Einheiten selbst. Wenn letzteres zutraf, gab es keinen Grund, warum ein Reh nicht dazu programmiert werden konnte, in eine Lichtung vor einem Bungalow am See zu trotten und durch Empathie-Verbindung zu beobachten, was in der Umgebung vorging!
Das Tier drehte den Kopf zur Hütte, stellte die Ohren und lauschte.
»Was ist denn?« fragte Jinx.
»Nichts«, sagte ich, ohne meine Sorgen zu erwähnen. »Wenn du dich dazu fähig fühlst, könntest du uns zwei Tassen Kaffee beschaffen.«
Ich sah sie zur Küche wanken, dann öffnete ich langsam das Fenster – gerade weit genug, um dem Linearverstärker der Waffe Raum zu lassen. Die Streuung drosselte ich etwas.
Nach einer Weile drehte das Reh ab und wechselte zur Garage hinüber. Ich drückte auf den Abzugknopf und ließ den Laserstrahl ganze zehn Sekunden lang auf das Tier einwirken, wobei ich vor allem auf den Kopf zielte, während es regungslos dalag. Beim zischenden Geräusch der Entladung stürzte Jinx an die Küchentür.
»Doug! Es ist doch …«
»Nein. Nur ein Reh. Ich hab’ es für ein paar Stunden eingeschläfert. Es wollte gerade in deinen Wagen steigen.«
Wir setzten uns in die Küche und tranken stumm unseren Kaffee. Ihr Gesicht war maskenhaft starr. Eine Haarsträhne verdeckte halb das eine Auge. Aber sie wirkte trotzdem jugendlich und frisch.
Sie sah auf ihre Uhr, zum zweitenmal, seit sie die Tassen aus dem Gerät genommen hatte.
»Was sollen wir tun, Liebling?«
»Ich brauche mich nur ein, zwei Tage zu verstecken«, log ich, »dann findet sich schon eine Lösung.« Ich machte eine Pause, um mir etwas einfallen zu lassen. »Whitney kann nämlich beweisen, daß ich Collingsworth nicht umgebracht habe. Wahrscheinlich tut er das schon.«
Sie schien nicht erleichtert zu sein. Sie schaute nur wieder auf die Uhr.
»Deshalb steigst du jetzt auch in deinen Wagen und verschwindest, sobald du wieder kräftig genug bist«, fuhr ich fort. »Wenn man dich auch vermißt, verdoppelt sich vielleicht ihre Chance, mich zu finden. Und unter Umständen schauen sie auch noch hier nach.«
Eigensinnig sagte sie: »Ich bleib bei dir.«
Ich fühlte mich im Augenblick nicht fähig, eine Diskussion zu beginnen und vertröstete mich, sie später zu überreden.
»Dann halt du hier inzwischen die Festung. Ich muß mich rasieren, solange ich noch Gelegenheit dazu habe.«
Als ich zehn Minuten später fertig war, kehrte ich in den Trophäenraum zurück und sah die Eingangstür offenstehen. Jinx beugte sich draußen über das gelähmte Reh. Sie warf einen Blick zum Bungalow, dann ging sie weiter durch die Lichtung. Ich sah sie im Wald verschwinden, mit den graziösen, fließenden Bewegungen einer Nymphe. Obwohl ich entschlossen war, sie sobald als möglich von hier fortzuschaffen, freute ich mich über ihr Kommen.
Aber plötzlich brach sich eine Erkenntnis gewaltsam in mir Bahn: woher hatte sie gewußt, daß ich mich hier aufhielt? Ich hatte ihr ja nie von diesem Bungalow erzählt!
Ich packte mein Gewehr und hastete ihr nach, überquerte die Lichtung und stürmte in
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