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Simulacron-Drei

Simulacron-Drei

Titel: Simulacron-Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel F. Galouye
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den Wald. Zwischen den riesigen, schwankenden Fichten blieb ich stehen und lauschte auf das Knirschen von Schritten auf den verdorrten Nadeln, um auszumachen, wohin sie sich gewandt hatte. Dann hörte ich es und hastete in dieser Richtung weiter. Ich brach durchs Unterholz in eine kleine Lichtung und erstarrte – einem verblüfften Zehnender gegenüber.
    Auf der anderen Seite, weit entfernt, sah ich Jinx in einem schräg einfallenden frühen Strahl der Morgensonne stehen. Aber irgend etwas warnte mich und ich starrte wieder den Hirsch an. Er war trotz seines Erschreckens nicht davongestürmt.
    Schlagartig überfielen die quälenden Wirkungen einer fehlerhaften Empathieverbindung meine Sinne. Von dem Donnern, dem Lärm und dem Schwindel überwältigt, ließ ich mein Gewehr fallen. Durch das Toben in meinem Innern spürte ich erneut etwas, das wie Gelächter klang, auf dem simulektronischen Band dahinfließend, das jetzt alle meine Sinne mit denen des ›Steuermanns‹ verkettete.
    Der Hirsch stieg hoch, schlug mit den Vorderbeinen aus und fiel wieder herunter. Dann senkte er den Schädel und griff an.
    Ich taumelte unter der Auswirkung der dissonanten Verbindung, konnte mich aber vor dem heranrasenden Tier noch zur Seite werfen. Ein Geweihende schlitzte meinen Hemdsärmel auf und schnitt wie ein drahtdünner Laserstrahl durch meinen Unterarm. Und ich bildete mir ein, daß daraufhin das Gelächter des Wesens aus der Höheren Wirklichkeit beinahe hysterisch klang.
    Wieder bäumte sich der Hirsch auf, und ich versuchte mich unter den herabstürzenden Hufen wegzurollen. Beinahe schaffte ich es. Aber das Tier landete mit seinem ganzen Gewicht auf meiner Schulter und ich stürzte zu Boden. Als ich mich ein paarmal überschlagen hatte und wieder aufsprang, hatte ich jedoch das Gewehr in der Hand. Ich schoß das Tier beim nächsten Angriff nieder. Beinahe im selben Augenblick löste sich die Verbindung.
    Drüben stand Jinx immer noch im Sonnenstrahl, ohne zu wissen, was hinter ihr geschehen war. Aber während ich hinübersah, schaute sie unerwartet nach oben – und dann verschwand sie.
     

15
    Eine Ewigkeit lang stand ich wie eine Salzsäule in der Lichtung, den gelähmten Hirsch vor meinen Füßen, die Augen auf die Stelle gerichtet, wo Jinx verschwunden war.
    Jetzt wußte ich, daß sie die Kontakt-Einheit war. Ich hatte ihre ganzen Aktionen falsch ausgelegt. Ich hatte angenommen, sie habe als Fullers Tochter die Einzelheiten seiner ›grundlegenden Entdeckung‹ kennengelernt, sie aber vor mir verbergen wollen, damit man mich nicht deprogrammierte.
    Nach ihrem plötzlichen Verschwinden aus ihrem Haus hatte ich mir eingebildet, sie sei vorübergehend aus dem Simulator herausgenommen worden, um eine Löschung des verbotenen Wissens in ihren Schaltkreisen zu ermöglichen. Später war ich überzeugt gewesen, daß die Löschung dieser Information ihrer Liebe erst zu ganzem Ausdruck verholfen hatte.
    Aber so war es ganz und gar nicht gewesen. Sie hatte sich – vor ihrem ersten Verschwinden – seltsam benommen, weil sie und der Simulektroniker besorgt gewesen waren. Sie hatten Angst gehabt, daß ich Fullers Geheimnis erfahren würde.
    Dann war es Collingsworth, dazu programmiert, mich von meinen Überzeugungen abzubringen, gelungen, mich glauben zu machen, daß ich an einer ›Pseudo-Paranoia‹ litt. Diese Annahme hatte mich ganz beherrscht, als ich an jenem Abend im Restaurant eine Empathieverbindung dulden mußte.
    Der Große Simulektroniker war zu der Meinung gelangt, daß ich von der Fährte abgekommen sei. Und Jinx als Kontakt-Einheit hatte die Rolle der feurigen Liebenden gespielt, um mich von meinem Argwohn immer mehr abzulenken.
    So war bis gestern alles gelaufen – als der Große Simulektroniker von Collingsworth erfuhr, daß nicht nur ich, sondern auch Avery eigensinnig an der Realität unserer Welt zweifelten. Und Jinx war am Abend zuvor nur aus einem Grund hierhergekommen: um mich zu beschatten, bis man für meinen ›natürlichen Tod‹ sorgen konnte. Vielleicht würde sie mich sogar ›töten‹!
    Nach einer Weile spürte ich, daß warmes Blut aus der Wunde von meinen Fingerspitzen tropfte. Ich riß mir den Ärmel ab und wickelte ihn fest um den aufgerissenen Unterarm. Dann machte ich mich auf den Weg zurück zum Bungalow. Ich versuchte es noch einmal, aber gegen die Ungereimtheiten kam ich nicht auf. Zum Beispiel: Wie konnte Jinx – einfach verschwinden? Keinem der ID-Subjekte in Fullers Simulator gelang

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