Simulacron-Drei
zogen, hier Anwendung finden sollten.
Gleichzeitig mußte meine Welt der Höheren Wirklichkeit entsprechen. Die meisten Einrichtungen hatten übereinzustimmen. Unsere Kultur, unser geschichtlicher Hintergrund, selbst das Erbe unserer Vorfahren, unser Schicksal, mußte übereinstimmen.
Und der ›Steuermann‹, all die anderen Wesen dort oben, mußten menschliche Wesen sein, genau wie wir, da unsere Existenz nur als Analog-Bildungen ihrer Persönlichkeit gerechtfertigt war.
Die Dunkelheit draußen zog sich vor einem grellen Lichtstrahl zurück, dann hörte ich das Summen eines Flugwagens, der langsam niedersank.
Ich öffnete durch einen Knopfdruck die Tür, stürzte mich hinaus, tauchte hinter eine Hecke und riß das Gewehr hoch.
Der Wagen landete, die Scheinwerfer erloschen, der Motor erstarb. Verzweifelt starrte ich in die plötzlich undurchdringliche Nacht. Es war kein Polizeiwagen, und ich konnte nur einen Insassen erkennen. Ich drückte ab.
Der Widerschein des breiten, blutroten Strahls erhellte das Gesicht – Jinx Fuller! Und in demselben verwirrenden Augenblick sah ich sie zu Boden stürzen.
Ich schrie ihren Namen, warf das Gewehr zu Boden und stürmte in die Lichtung, von Dankbarkeit erfüllt, daß ich die Strahlwirkung gedämpft hatte.
Lange nach Mitternacht marschierte ich am Bungalow auf und ab und wartete, daß sie zu sich kam. Aber ich wußte, daß sie noch eine Weile ohne Bewußtsein sein würde, weil der Strahl ihren Kopf getroffen hatte. Trotzdem würde sie dank der breiten Streuung keine schweren Nachwirkungen erdulden müssen.
Zahllose Male während der frühen Morgenstunden tastete ich mich durch die Dunkelheit zum Sofa, um ihr kalte Umschläge zu machen. Aber erst als die Morgendämmerung durch die Vorhänge drang, stöhnte sie und führte die Hand schlaff zur Stirn. Sie öffnete die Augen und lächelte.
»Was ist geschehen?«
»Ich habe dich beschossen, Jinx«, sagte ich beschämt. »Das wollte ich nicht. Ich dachte, du bist die Kon …, die Polizei.«
Ich hatte mich gerade noch zurückhalten können. Ich durfte die Dinge nicht komplizieren, indem ich sie mit dem verbotenen Wissen belastete.
Sie versuchte sich aufzurichten. Ich stützte sie.
»Ich … ich habe gehört, was man dir vorwirft«, sagte sie. »Ich mußte einfach kommen.«
»Das hättest du nicht tun dürfen! Niemand weiß, was geschehen wird. Du mußt auf der Stelle fort!«
Sie versuchte aufzustehen, aber sie fiel sofort wieder auf das Sofa zurück. Sie konnte noch geraume Zeit nicht fort von hier.
»Nein, Doug«, wandte sie ein, »ich will hier bei dir bleiben.«
Mit meiner Hilfe konnte sie schließlich auf den Beinen stehen. Sie klammerte sich an mich und weinte. Ich hielt sie fest, als sei sie das einzig Wirkliche in dieser Welt der Illusion. Und es war mir, als hätte ich etwas Unwiederbringliches verloren. Mein ganzes Leben lang hatte ich mir einen Menschen wie Jinx gewünscht. Aber sie zu finden war eine Enttäuschung gewesen. Denn es gab keine Realität als das komplizierte Wechselspiel von Impulsen in simulektronischen Schaltkreisen.
Sie neigte den Kopf nach hinten und sah mich mitleidig an, dann küßte sie mich auf den Mund. Es war beinahe, als wisse auch sie, was geschehen würde.
Während ich sie küßte, dachte ich wehmütig an das, was sich hätte ereignen können, wenn es dem ›Steuermann‹ gelungen wäre, Fullers Simulator zu zerstören! Wenn ich nur noch in der TEAG arbeitete, damit ich es selbst tun könnte. Wenn nur der Simulektroniker in der Höheren Wirklichkeit mich umorientiert hätte, wie Jinx!
»Wir bleiben beieinander, Doug«, flüsterte sie. »Ich werde dich nie verlassen, Liebling.«
»Aber das geht nicht!« protestierte ich.
Hatte sie denn nicht begriffen, daß das einfach nicht ging? Allein schon Siskin und die Polizei ließen mir keine Hoffnung.
Verwirrt machte ich mich los, wieder einmal gezwungen, die plausiblen Alternativen zu überprüfen. Entweder war ihre Liebe für mich so grenzenlos, daß sie keine Hindernisse anerkannte, oder sie wußte einfach nicht, was mir die Polizei alles zur Last legte. Ganz bestimmt hatte sie nicht gehört, wie Collingsworth getötet worden war, sonst wäre sie niemals gekommen.
»Du weißt, daß ich wegen des Mordes an deinem Vater gesucht werde?« fragte ich.
»Du hast es nicht getan, Liebling.«
»Und – Avery Collingsworth?«
Sie zögerte.
»Das hast du nicht getan – das hättest du nicht tun können!«
Es war beinahe, als sei ihr
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