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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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Eignungsprüfung ablegen. Daher konnte unser Museumsführer auch nicht ohne Stolz zu uns sagen: »Obwohl ich vielleicht nur einmal pro Woche für einen halben Tag hier arbeite, reicht allein meine Uniform aus, um mir auf der Straße die bewundernden Blicke der Passanten zu sichern.«
    Wenn man nur ein bisschen darauf achtete, entdeckte man die freiwilligen Helfer allerorten, darunter auch sehr viele reifere oder alte Leute, nicht wie bei uns, wo Freiwilligenarbeit allein den Jugendlichen vorbehalten ist. Auf die Einstellung kommt es an, nicht auf das Alter. Ganz abgesehen davon, dass die alten Leute in China viel mehr Zeit haben, um zu tun und zu lassen, was sie wollen. Hier gibt es für die Zukunft ein unendliches Potenzial.
    Lien Chan
    Zu meiner Taiwan-Reportage gehörte selbstverständlich ein Interview mit Lien Chan und Song Chuyu. Dabei hinterließ Lien Chan deutlichere Spuren in meinem Gedächtnis als Song Chuyu. Wir sprachen am 14. Juli 2005 mit ihm, das heißt am Vorabend der Wahlen zum neuen Parteivorsitz der Kuomintang. Unser Gespräch mit ihm sollte also das letzte vor seiner Wahl zum Parteivorsitzenden werden.
    Lien Chan machte den Eindruck eines einfachen und aufrechten Menschen, weshalb ihm auch keinerlei Starallüren anzumerken waren. Im Vergleich zu Song Chuyu war er gewiss ein weniger eloquenter Redner. Die taiwanesische Presse titelte ihn daher eine »rhetorische Null«. Das war vermutlich der Grund für sein zweimaliges Scheitern im Kampf um den Parteivorsitz. So jemand hat keine Chance. Auch wenn man einen Wahlprozess als Aushängeschild der Demokratie betrachtet, muss man sich eingestehen, dass ein Kandidat ohne großmännisches Auftreten und Wortgewandtheit immer auf der Verliererseite steht. Lien Chan ist dafür ein gutes Beispiel.
    Während seiner Reise in die Volksrepublik legte er hingegen auf charmanteste Weise Zeugnis seiner Tugenden ab. Der als »rhetorische Null« verunglimpfte Chan erhielt für seine Rede an der Peking-Universität großen Beifall. Seine rhetorischen Fähigkeiten mögen vielleicht nur im Vergleich zu dem oberflächlichen Gerede seiner Mitstreiter in Taiwan blass wirken. Oder die Chinareise hatte ihn motiviert, sich ins Zeug zu legen. Viele gingen daher davon aus, dass ihm nach dieser Reise ein Wahlsieg gewiss wäre – wenn es gerade dann Wahlen gegeben hätte. Die Geschichte kennt aber keine Konjunktive.
    Dem vordergründig so farblosen Politiker mangelte es jedoch keineswegs an Humor und gelegentlicher Großspurigkeit. Bei einem Bankett, das Generalsekretär Hu Yaobang für ihn ausrichtete, sagte Hu Yaobang angeblich bei einem Toast zu ihm: »Sie sind ja ein Experte in politischen Studien, ich sollte vielleicht bei Ihnen Unterricht nehmen.« Darauf antwortete Lien Chan fix: »Von wegen, die Sache mit den zwei Kugeln auf Chen Shui-bian, darüber hatte ich noch nie etwas gelernt.« 23 Großes Gelächter.
    Wenige Tage nach dem Verlust seines Amts als Parteivorsitzender der KMT befragte ich ihn in Taipei nach seinen Plänen für die Zukunft. Seine Antwort fiel denkbar schlicht aus: »Ich werde Freiwilligenarbeit für die Kuomintang leisten.«
    Darauf reduziert blieb es aber nicht. Es wäre richtiger zu sagen: freiwillige Arbeit für die Zukunft der Verständigung auf beiden Seiten der Taiwanstraße.
    Bo Yang
    Bo Yang war alt geworden, das sah man auf den ersten Blick. Als ich ihn sieben Jahre zuvor in Peking gesprochen hatte, war er zwar auch schon bald achtzig, sein Haar war aber immer noch schwarz, er agierte flink und hatte eine kräftige Stimme. Damals war er auf Heimatbesuch in der Provinz Henan und glich einer Wildgans, die in ihr Nest zurückkehrt war, aufgeregt und neugierig wie ein junger Mann.
    Diesmal lagen die Dinge ganz anders, selbst das Aufstehen schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Gelegentlich blieben ihm die Worte buchstäblich im Hals stecken. Ihm so gegenüberzusitzen war bedrückend. Was auch immer er für ein tapferer Krieger gewesen sein mochte, das Alter ist ein Feind, den letzten Endes niemand bezwingen kann.
    Die Worte, die er schließlich fand, brachen mir das Herz. So viel Sentimentalität und Verzweiflung sprachen aus diesem Dialog, dass man sich als Fragender am liebsten beschämt in eine Ecke verkrochen hätte.
    Ein Schriftsteller, der bekannt ist für seine Essays und dir erklärt, wie sinnlos es ist, Essays zu schreiben. Viel wichtiger, so Bo, sei es, etwas aufzubauen, etwas zu verändern. Ein Essay könne noch so deutliche Worte

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