Sind wir nun gluecklich
finden, Worte seien doch nur Schall und Rauch. Man konnte aus seinem scharfen Urteil deutlich den Schmerz heraushören, einen Schmerz, aus dem Hilflosigkeit und Wut sprachen. Als wir über seine Heimat redeten, seufzte er tief auf: »Unsere Generation wird niemals von Erfolg gekrönt in die Heimat zurückkehren können, wir können ja nicht einmal in Frieden in die Heimat zurückkehren.« Er wurde deutlicher: »Ich habe mein ganzes Leben keine Freude gekannt …«
Es war klar, dass sein Zeitalter dem alten Mann vor allem die tragischen Seiten des Lebens gezeigt hatte; selbst ein gelegentliches Lachen war für ihn immer nur die kurzzeitige Unterbrechung von wiederkehrender Melancholie.
Allein als wir auf seine Frau Zhang Xianghua zu sprechen kamen, heiterte sich seine Stimmung vorübergehend auf. Der Himmel ist manchmal doch gerecht. Er raubt dir das eine, aber gewährt dir stattdessen etwas anderes, zum Beispiel die Liebe.
Beim Abschied stand für mich so gut wie fest, dass es wohl kein zweites Wiedersehen geben würde. Es würde keine Möglichkeit geben, den Verlust all dessen zu verhindern, was uns die Generation Bo Yang zu sagen hatte. Glück war es nicht, was er mit sich nahm, aber die mal vage und mal nachdrückliche Hoffnung, die wir mit ihm verbanden. Ob er selbst das Wort »Hoffnung« in Bezug auf sich selbst gebraucht hätte?
Zwei Jahre später erhielt ich ein Telegramm vom Sender EBC: »Bo Yang ist von uns gegangen. Euer Gespräch mit ihm war das letzte.«
Eine Weile später, es war 2010, erreichte mich die Nachricht, die sterblichen Überreste des Dichters sollten zur Bestattung in seine alte Heimat überführt werden. Damit war der alte Mann schließlich doch noch an den Ort seiner Herkunft zurückgekehrt.
Wang Yung-ching
Wer auf Taiwan war, ohne Wang Yung-ching getroffen zu haben, hat nichts von Taiwans Wirtschaft verstanden. Denn Taiwan hat zwar einige Markennamen, doch der wichtigste Markenname seiner Wirtschaft heißt Wang Yung-ching.
Als wir einen Gesprächstermin mit ihm bekamen, wollte Xiufang unbedingt ein eigenes Interview mit Wang führen, denn der Chef der Formosa Plastics Group hatte schon seit langem jedes Interview abgelehnt. Für Medienvertreter wie Xiufang war die Gelegenheit daher Gold wert.
Wenn man den bereits Neunzigjährigen vor sich sah, fiel es schwer zu glauben, dass er immer noch täglich seiner Arbeit nachging und sich nach wie vor sowohl jegliche Spekulation über seinen Nachfolger verbat als auch ein kritischer Beobachter gesellschaftlicher Veränderungen war. Als das offizielle Interview abgeschlossen war, wurde der alte Mann noch einmal gesprächig und bat uns, auf einen Kaffee zu bleiben, um anschließend eine weitere knappe Stunde entspannt mit uns über Gott und die Welt zu plaudern. Ein völlig veränderter Wang Yung-ching, zuvor überaus vorsichtig, ließ sich nun ohne Hemmungen kritisch über die gegenwärtige junge Generation von Politikern auf der Insel aus und äußerte die Meinung, dass Taiwan die Möglichkeit verspiele, sich dem Festland anzunähern. In zwei Jahren, so prophezeite er, würde es keine Verhandlungen mehr zwischen Taiwan und der Volksrepublik China geben …
Äußerlich erinnerte Wang stark an den verstorbenen chinesischen Komiker Ma Sanli, aber damit hörten die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Wang brachte niemanden zum Lachen. Seine Befürchtungen stimmten den Zuhörer genauso pessimistisch, wie er selbst es war. Aber auch bei anderen Themen hinterließ der alte Mann einen bleibenden Eindruck.
Obwohl Wang Yung-ching steinreich ist, gab er sich als Lehrmeister der Gesellschaft im sparsamen Umgang mit Geld. Ein Handtuch könne man gut zehn Jahre lang benutzen und er selbst wohne über seinem Büro und ernähre sich von nichts als Hausmannskost – je grüner, desto gesünder. Gegenüber dem Festland aber zeigte er sich als großherziger Gönner und arbeitete unermüdlich für ein gutes Verhältnis.
Er verstarb vier Jahre später – trotz des hohen Alters unerwartet – bei einem Geschäftsbesuch in den Vereinigten Staaten. Ein Wirtschaftsmensch, der einer Generation von Chinesen in aller Welt als Vorbild gedient hat, wurde so zur Legende. Nach seinem Ableben wurde nun ich von verschiedenen Fernsehsendern um einen Kommentar gebeten. Meine Antwort war simpel: »Den Enthusiasmus des alten Mannes, mit dem ich an jenem Nachmittag sprach, werde ich nie vergessen. Das hatte mit ökonomischen Fragen nichts zu tun, es ging um nichts weniger als um
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