Sind wir nun gluecklich
Erkenntnisse für mich zog. In Taiwan gibt es viele Meister (innen) wie Cheng Yen, die sich in ähnlicher Form engagieren. Die Worte »Humanitärer Buddhismus« sind nicht einfach irgendeine Worthülse, sie bedeuten eine Revolution in der langen Geschichte des Buddhismus. Sie stehen für einen Abschied von der Abgeschiedenheit der Berge und den Eintritt in die wirkliche Welt, den Abschied vom Eremitendasein und das Eintauchen in die Massen. Das ist schon nicht mehr einfach Religion, es impliziert eine neue Form von Mobilisierung der Gesellschaft und die Schaffung von sozialem Frieden. Ich möchte gern glauben, dass Taiwan in der Zukunft in dieser Hinsicht ein Modell für die chinesischsprachige Welt abgeben wird. Vielleicht werden einmal noch viel mehr Menschen davon profitieren, vielleicht wird es sogar die Gesellschaft verändern.
Ein Taifun
Ich war nach diesem Besuch von einem friedvollen Gefühl beseelt. Die Natur dagegen blieb nicht sanftmütig. Als wir unsere Interviewserie abgeschlossen hatten und nur noch der Besuch in Kaohsiung ausstand, wurde Taiwan von der zerstörerischen Kraft des Taifuns »Haitang« heimgesucht, der uns Nordlichter endlich einmal lehrte, welche Auswirkungen ein solcher tropischer Wirbelsturm haben kann.
Sämtliche Läden hatten geschlossen, und man konnte eigentlich nur geduldig in seinem Zimmer auf das Abklingen des Sturms warten. Aber gerade das bedeutet für Medienleute nur, rausgehen und sich dem Taifun stellen, denn die Zuschauer zu Hause wollen ja über das Fernsehen informiert werden. So entdeckte ich eine weitere Seite der taiwanesischen Fernsehleute, die mir Respekt abverlangte. Reporter fast aller TV-Stationen waren mitten im Unwetter unterwegs und breiteten live in allen Details die Verheerungen durch den ungeheuer mächtigen Taifun vor ihren Zuschauern aus.
Und das war wahrhaftig kein leichtes Unterfangen – ich selbst berichtete live nach Hause und weiß, wovon ich rede. Man muss sich das so vorstellen: Du wachst mitten in der Nacht auf, weil ein heftiger Wind geht. Es ist, als ob ein Ungetüm lautstark gegen dein Fenster schlägt. Am nächsten Morgen schaust du aus dem Fenster, die Straßen sind von umgestürzten Bäumen blockiert, und es herrscht ein riesiges Durcheinander. Als Reporter gehst du hinaus und suchst mit gespreizten Beinen festen Stand, damit du nicht umgeweht wirst, während du live in die Kamera sprichst. Unser Kameramann musste gleichzeitig von einem Teammitglied von hinten festgehalten werden, sodass er überhaupt filmen konnte.
Nach zwei Tagen inmitten des Taifuns verstanden wir, was das Volk auf Taiwan Jahr für Jahr gleich mehrmals durchmacht. So brachte auch dieses Wetterphänomen noch einmal »frischen Wind« in meine Erfahrungen auf der Insel.
Kein Mensch war in diesen Tagen in den Straßen und Gassen unterwegs, keiner außer uns Journalisten, die mitten im Taifun ihre Würde zu wahren suchten und mein Spektrum von Beobachtungen an meinen Kollegen erweiterten.
Der Taifun hatte uns noch einen Tag auf der Insel verbringen lassen. Wir Gäste, die nun den Heimweg antreten mussten, nahmen ein realistisches Bild Taiwans mit uns. »Sieht man das Gebirge von vorn, ist es ein langgestreckter Zug. Aber von der Seite betrachtet, ist es wie ein Gipfel.« Dahin zu kommen war keine leichte Arbeit gewesen, und ich fragte mich, ob das, was wir über unsere Aufnahmen an die Zuschauer in China vermitteln würden, ihnen Taiwan ein Stück näherbringen würde.
Der dritte Besuch
Die Zeit war im Flug vergangen, und im Vergleich zu 2005 wehte im August 2009 inzwischen ein warmer Wind auf beiden Seiten der Taiwanstraße. Vieles hatte sich verändert, Ma Ying-jeou hatte Chen Shui-bian an der Staatsspitze abgelöst, und Chen saß mittlerweile im Gefängnis. In Taiwan spöttelte man, dass sowohl Chen Shui-bians Aufstieg wie auch sein Abstieg dem Fortschritt des Landes gedient hatten. Mit seinem Aufstieg hatte eine neue Stunde in der Geschichte der Insel geschlagen, und der Demokratisierungsprozess hatte Fortschritte gemacht. Einen noch größeren Fortschritt bedeuten schließlich aber auch sein Abstieg und seine Verurteilung, denn hier kulminierte die Demokratie in einem funktionierenden Rechtsstaat. Aber auch wenn man darüber seine Witze machte, war Taiwan von den Vorfällen heftig gebeutelt worden.
Innerhalb von vier Jahren war der »dreifache Austausch« Wirklichkeit geworden, die Verbindungen zwischen Taiwan und dem Festland enger denn je, und der Gipfel der
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