Sind wir nun gluecklich
unsere Zukunft.«
Die buddhistische Nonne Cheng Yen
Es hatte mich verwundert, dass es weder von Seiten Taiwans noch der Volksrepublik ein Problem war, Cheng Yen um ein Gespräch zu bitten. Es war schließlich das erste Mal, dass CCTV eine Sendung über eine Persönlichkeit aus religiösen Kreisen machte, und wir waren uns bewusst, dass das ein heikles Thema war. Grund unseres Wunschs nach einer solchen Sendung war der schon seit Jahren in Taiwan vorangetriebene »Humanitäre Buddhismus«, eine Tendenz, die ein breites Echo in der Gesellschaft fand und keinen geringen Einfluss auch auf Chinesen in aller Welt ausübte. Die Nonne Cheng Yen, Gründerin der humanitären Organisation Tzu Chi 24 , gehörte zu den prominentesten Vertretern dieser Bewegung.
Im Jahr 1963 war sie als 26-Jährige mit Familiennamen Wang zum Buddhismus konvertiert und hatte den Ordensnamen »Cheng Yen« (»Ernsthaftigkeit beweisen«) angenommen. Nachdem sie in den Puming-Tempel von Hualien gekommen war, fasste sie den Entschluss: »Keine Heilsuche durch das Studium der Sutren, keine buddhistischen Versammlungen, keine Almosen sammeln«, und sie begann stattdessen nach dem Motto »Ein Tag ohne Taten ist ein Tag ohne Essen« zu leben. Im Fall der humanitären Organisation Tzu Chi ist es schwer zu unterscheiden, wer ein Gläubiger ist und wer ein Freiwilliger, besser gesagt engagiert sich dort jeder Gläubige als Freiwilliger für die Gesellschaft, leistet Katastrophenhilfe und rettet Leben und tut Gutes, wo es nötig ist. Über ein Fünftel der Bevölkerung Taiwans hat sich schon einmal in den Projekten von Tzu Chi engagiert.
Cheng Yens »Humanitärer Buddhismus« bietet eine Plattform für das harmonische Miteinander von Anhängern des Buddhismus und der übrigen Gesellschaft. Zum Beispiel unterscheiden sich die ersten fünf der »Zehn Verbote« für Tzu-Chi-Anhänger kaum von althergebrachten Vorschriften des Buddhismus, wie zum Beispiel das Verbot, zu rauchen oder zu trinken, aber in den letzten fünf kommen dann Themen vor wie »die Verkehrsregeln respektieren«, »Vater und Mutter ehren«, »sich nicht an politischen Aktivitäten beteiligen« und dergleichen mehr. Hier bekommt die Heilslehre etwas sehr Weltliches.
Die Interaktion mit dem chinesischen Festland besteht bereits seit den Anfangszeiten der Stiftung. Bei der großen Flut in Ostchina 1991 war es Tzu Chi, die sofort finanzielle Unterstützung leistete, und es gab auch in der Zeit danach keine Katastrophe, bei der Tzu Chi nicht mit ihren Mitteln und Helfern zur Stelle war. Ganz zu schweigen von Tzu Chis umfassender Datenbank von Knochenmarkspendern, die längst zu einer unverzichtbaren Quelle für lebensrettende Knochenmark-Transplantationen in der Volksrepublik China geworden ist. Gerade am Tag unseres Interviews lief eine solche Lebensrettungsaktion ab. Nach dem Abgleich des Knochenmarktyps verließ die Spende in der Frühe Hualien Richtung Hongkong und wurde von dort nach Peking gebracht, und am Abend desselben Tags fand die reibungslose Transplantation in einem Pekinger Krankenhaus statt.
Um 5.30 Uhr nahmen wir als Zuschauer an Cheng Yens Morgenunterricht teil, zu der sich Anhänger aus ganz Taiwan einfanden, darunter viele Mittelschüler. Auch wenn wir zum Arbeiten dort waren, wurde uns während der Dreharbeiten unter dem Einfluss ihrer Lehren sehr ruhig und friedvoll zumute. Jedes Wort, das sie in dem anschließenden Gespräch – ich will es nicht »Interview« nennen – mit uns sagte, wühlte uns innerlich auf. Von solchen Menschen kann man lernen, wie die Dankbarkeit eines anderen dir im Leben hilft. Ihre Worte bewirken Erleuchtung, und sie erziehen dich durch die Härten des Lebens. Der Wille, etwas zu tun und Liebe zu geben, sich nicht von Beschimpfungen oder Ungerechtigkeit beeindrucken zu lassen, gehören dazu. Keine Angst davor zu haben, dass man sich reibt. Denn der Stein, der gerieben wird, kann glänzen. Andere zu »reiben« aber ist bitter, der Mensch kann dabei zugrunde gehen. Wie könnte man jemals jemanden seinen Feind nennen …
Ich fragte die Meisterin Cheng Yen: »Worüber denken Sie am meisten nach?«
Ihre Antwort war: »Darüber, dass ich nicht genug Zeit für Gefühle habe, dass es so vieles gibt, was ich machen möchte, und so viele Menschen, die meine Hilfe brauchen.«
Beim Abschied von Tzu Chi und der Stadt Hualien hatte ich das Gefühl, Taiwan wieder ein Stück nähergekommen zu sein, immer wieder machte ich eine Erfahrung, aus der ich neue
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