Sind wir nun gluecklich
ihren Einfluss. Doch bei CCTV klaffte an dieser Stelle zumindest bis 2002 im Nachrichtenbereich eine Lücke.
Diese wollten wir jetzt füllen. Über die ersten Bestrebungen in diese Richtung herrschte auch keinerlei Meinungsverschiedenheit, natürlich war jeder dafür, zum Jahresende die Persönlichkeit des Jahres auszuwählen. Schließlich waren wir Nachrichtenleute, und außerdem war es gängige Medienpraxis.
Im Laufe unserer Gesprächsrunde tauchten aber die ersten Probleme auf. Dass jemand große Schlagzeilen gemacht hatte, bedeutete noch nicht, dass es sich um eine positive Figur handelte. Im Laufe eines Jahres standen auch Helden der Raumfahrt oder skrupellose Kohleminen-Magnaten im Brennpunkt der Öffentlichkeit. War also eine Auswahl nach der Medienpräsenz einer Person ein passendes Kriterium? Und wie sollte die »Preisverleihung« aussehen? Und würde sie nur der »Nummer eins« gelten oder sollte es mehrere Auszeichnungen geben?
In unserem Umfeld muss man sich solche Fragen von vornherein gut überlegen, denn vage Ideen, die sich am Ende nicht umsetzen lassen, sind so gut wie gar keine Ideen. Die erfahrenen Nachrichtenleute unter uns haben alle diese Mentalität verinnerlicht, deshalb suchen wir erst einmal nach einer stimmigen Idee, die wir dann ausarbeiten und zu einer größeren Sache machen können.
Jede Menge Vorschläge wurden auf den Tisch gelegt und wieder verworfen, während der Rauch im Sitzungszimmer immer dichter wurde. Entweder war die Idee nicht kongruent genug oder die Ausführung, oder sie hatte zu wenig mit China zu tun. Der ganze Nachmittag drohte in einer Sackgasse zu enden.
Da machte schließlich Chen Hong den Vorschlag, doch einen »guten Menschen« zu suchen, eine Persönlichkeit, die im Verlauf des Jahres Schlagzeilen machte, die für Betroffenheit sorgten. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, aber ziemlich schnell erkannten wir die Möglichkeiten, die sich vor dem Hintergrund des Stichworts »Gefühl« auftaten. Gefühl, das schloss die skrupellosen Kohleminen-Magnaten aus. Und es war etwas, was wir brauchten und suchten. Gefühl ist eine Kraft, die etwas für unsere Zeit bewegen kann. Gefühl als Thema einer Fernsehsendung konnte auch zur Reife und zum Erfolg unseres Senders beitragen. Das ließe sich in unseren Augen machen. Also brachte dieser Septembernachmittag im Jahr 2002 ein Ergebnis, das sich weiterentwickeln und diskutieren ließe und in jeder Hinsicht ein Volltreffer schien. Und der zündende Funke dafür kam von Chen Hong, der damals noch langes Haar hatte und entsprechend wild aussah. Wir trugen zwar alle zusammen zum guten Gelingen von »Was China bewegt« bei, aber es war Chen Hong, der die entscheidende Wende im Moment der kreativen Blockade herbeigeführt hatte. Daher muss ich auch nach der Fertigstellung jeder Folge von »Was China bewegt« unweigerlich an ihn denken. Schade, dass diese Erinnerung heute mit Trauer belegt ist, denn Ende 2008, vor der Ausstrahlung der siebten Folge von »Was China bewegt«, starb Chen Hong viel zu jung. Sein Tod ging wie ein emotionales Erdbeben durch unsere Abteilung. Bei der Trauer um ihn sprach man vor allem über die Sendung »Leben heute«, die er kreiert hatte, Untertitel: »Geschichten von ganz normalen Menschen«. Aber man durfte ebenso nicht vergessen, dass er der Kopf hinter »Was China bewegt« gewesen war. Es war auch Chen Hong, der einmal zu uns gesagt hat: »Jemandes Silhouette von hinten zu sehen kann ein Moment großer Rührung sein.«
Zurück ins Jahr 2002, als an jenem Septembernachmittag aus einer abstrakten Idee eine neue Sendung wurde. Seitdem begann sich die Emotionalität, die auf diesem Flecken Erde noch niemals eine Pause eingelegt hat, in neuer Form nach fernsehtauglichem Muster vor dem chinesischen Publikum zu präsentieren. Vor der Erstausstrahlung waren wir durchaus zuversichtlich, was die Existenz von Emotionalität in diesem Land betraf, es blieb aber die Frage, ob sich die Chinesen von heute noch rühren ließen.
Die Bewässerung unseres Gewissens
Was heißt Rührung? Was für eine Art Mensch sollte man auswählen, um »China zu bewegen«?
Schlägt man im Wörterbuch der chinesischen Gegenwartssprache nach, bekommt man für den Eintrag »Rührung« folgende Erklärung: »Ein Gemütszustand, in dem durch Einflüsse oder Anregung von außen Mitleid oder Bewunderung provoziert werden.«
Tatsächlich hat jeder Mensch seine eigene Erklärung für das, was er »Rührung« nennt. Für mich
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