Sind wir nun gluecklich
gefährlichen Bombenentschärfung übernommen hatte, erfand er vorab eine Ausrede, um seine Frau und seine Tochter noch einmal zu sehen. Er tat unbekümmert und plauderte mit ihnen über dies und jenes, ohne ein Wort über die bevorstehende gefährliche Aufgabe zu verlieren, wohl wissend, dass das vielleicht das letzte Mal war, dass er seine Familie sah. Er war völlig aufgelöst, als er davon erzählte, und ich kniff mir in den Schenkel, um mich zusammenzureißen.
Ich habe den Eindruck, dass meine Gefühlswallungen von Mal zu Mal schlimmer werden. Das liegt wohl daran, dass ich mit zunehmendem Alter fragiler werde. Andererseits, und das ist der Hauptgrund, hat es damit zu tun, dass unter den Preisträgern von Jahr zu Jahr mehr einfache Leute aus dem Volk sind, allesamt Menschen, die in ihrem Leben Tag um Tag wirklich große Taten vollbringen.
Aber darum geht es ja auch, die täglichen Großtaten einfacher Menschen in einer feierlichen Zeremonie zu würdigen. Es sind Menschen wie wir alle, die das Wunderbare Realität werden lassen, die nicht abgehoben sind und uns daher wirklich zu rühren vermögen.
Unter den Preisträgern der vergangenen acht Jahre war ein tapferer Junge, der seiner Mutter eine Niere gespendet hatte, eine außerordentliche junge Frau, die nicht nur für ihre Eltern, sondern für das ganze Dorf die Pflege für sehr alte Menschen übernahm, eine starke Mutter, eine Mutter, die ihren beiden behinderten Töchtern Lebensfreude und Lebensmut schenkte …
Ja, es waren viele Mütter, Väter, Söhne und Töchter, die aus ihrer einfachen Familienrolle heraus als Preisträger auf unsere Bühne schritten. Und »Was China bewegt« strahlte in Zehntausende chinesischer Haushalte zurück. Mit der Rührung hielt durch unsere Sendung auch das wirklich Großartige Einzug in die Familien zu Hause.
Rührung bedeutet aber nicht immer Tränen und Wärme. Oft paart sie sich wie im Fall der alten Ärztin mit Zorn.
Die Professorin Liu Shuwei stellte sich betrügerischen Machenschaften entgegen 33 , aber über lange Zeit hinweg focht sie diesen Kampf gegen einen unvergleichbar stärkeren Gegner allein, als schwacher Mensch. Es kam zwar alles zu einem glücklichen Ende, aber zwischendurch war sie unter dem Druck dem Zusammenbruch nahe. Wer außer den engsten Vertrauten stand ihr dabei zur Seite?
Manchmal wäre es besser, wir brauchten keine Helden, die uns mit ihrem Kampf für Gerechtigkeit und für Schutzbedürftige rühren müssten. Auf diese Art von Rührung würden wir lieber verzichten.
Ein junger Wanderarbeiter fand Arbeit an der Küste. Er hatte noch nie zuvor das Meer gesehen, doch als er eines Tages dort Zeuge wurde, wie Leute von einer Klippe ins Wasser stürzten und kurz vor dem Ertrinken waren, sprang der junge Mann namens Wei Qinggan, ohne zu zögern, ins Meer und rettete einen nach dem anderen. Am Ufer standen Schaulustige, feuerten ihn an und klatschten Beifall, aber keiner von ihnen sprang wie er ins Wasser und half. Ein Fremder wurde zum Helden und beschämte die Leute vor Ort. Nach vollbrachter Tat klatschte er in die Hände und ging nach Hause. Später machte ein Journalist ihn ausfindig, doch er verstand gar nicht, was der von ihm wollte: »Was war schon dabei?«, fragte er. Als wir ihm den Preis verliehen, fragte ich ihn auf der Bühne, was sein größter Wunsch sei, und er antwortete »Ich bin kein schlechter Arbeiter, vielleicht können mir die Leute helfen, Arbeit zu finden!«
Ich bin mir sicher, dass Wei Qingang sich auch beim nächsten Mal wieder zur Rettung seiner Mitmenschen in die Fluten stürzen würde. Nicht sicher bin ich mir jedoch, ob wir, die wir uns von seiner Geschichte zu Tränen rühren lassen, in einem solchen Fall weiterhin nur tatenlos zusehen werden.
Die Leute sind bewegt, und dann?
Wer uns zu rühren vermag, bekommt vielleicht einen Preis, aber diejenigen, deren Verhalten uns wütend macht, fahren trotzdem Profite ein. Was nutzt uns also die Rührung?
Wenn wir nach der jeweiligen Ausstrahlung einer Folge von »Was China bewegt« mit Lob überschüttet werden, habe ich daher jedes Mal ein mulmiges Gefühl und frage mich: Gut, die Leute sind bewegt, und jetzt?
Da war zum Beispiel einmal eine Landärztin namens Li Chunyan, die unbedingt in die Stadt zurückkehren und ein neues Leben beginnen wollte. Aber die flehentlichen Bitten der Dorfbewohner hielten sie jedes Mal davon ab, sie blieb in der schwer zugänglichen Bergregion, in der es an medizinischer Versorgung
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