Sind wir nun gluecklich
romantisch ausfallen dürften wie die der Intellektuellen, die Hausfrauen mussten damals unter großen Entbehrungen das Unmögliche möglich machen. Für unsere Mütter war es das Einzige, was zählte.
Die achtziger Jahre scheinen heute schon lange her, doch kein Zeitalter vergeht, ohne Spuren zu hinterlassen, es wirft einen langen Schatten auf die nachfolgenden Jahrzehnte, den man bei genauerem Hinsehen entdecken kann. Im Folgenden will ich ein paar persönliche, triviale Erinnerungen skizzieren, die alle mit den achtziger Jahren zu tun haben. Sie sind Teile eines Puzzles, aber sie bleiben doch immer nur Fragmente und erheben nicht den Anspruch, ein Gesamtbild zu ergeben. Diese Anekdoten sind mein Epilog zu den Achtzigern. Die echten Post-Achtziger oder Post-Neunziger bringt er vielleicht zum Lachen.
Getrocknete Nudeln und die Affenmarke
Meine Erinnerungen an die achtziger Jahre setzen unweigerlich bei den Briefmarken ein, die heute von unschätzbarem Wert sind, eine davon war die Affenmarke. Die achtziger Jahre, so zeigt sich daran, erfuhren doch nicht allein in der Erinnerung eine Wertsteigerung, sondern durchaus auch in materieller Hinsicht.
Im Jahr 1980 brachte die chinesische Post eine Briefmarkenserie mit den zwölf chinesischen Tierkreiszeichen heraus. Die erste war die von Huang Yongyu entworfene Affenmarke. Da ich selbst im Jahr des Affen geboren bin, bat ich gleich meinen großen Bruder, der in Peking studierte, mir bei seinem Heimatbesuch in den Winterferien ein paar davon mitzubringen. Er schrieb ohnehin Briefe nach Hause, die er für mich mit der Affenmarke frankierte. Ich hatte gerade mit dem Briefmarkensammeln begonnen und löste jede Marke mit aller Sorgfalt ab. Eine behielt ich dann für mich, und die übrigen gab ich anderen Sammlerfreunden. Wenn der Bruder in den Winterferien nach Hause kam, war das beste Geschenk, das er mitbrachte, aber nicht die Affenmarke, sondern die vier oder fünf Pfund getrocknete Nudeln, die er außerdem dabeihatte. In unserer damaligen Heimatstadt im Grenzgebiet waren diese dünnen Nudeln nur sehr schwer zu bekommen. Ob die Nudeln nun tatsächlich die sonst üblichen Teigtaschen zum Neujahrsessen an Beliebtheit übertrafen, weiß ich nicht mehr so genau. Eines war sicher: In Peking, dieser großen Stadt, gab es wunderbare Sachen.
Viele Jahre später wurden die Affenmarken, die ich dereinst leichtherzig verschenkt hatte, zu wertvollen und begehrten Sammlerobjekten, die damals so kostbaren getrockneten Nudeln aber gibt es an jeder Ecke.
Teresa Teng und die feindlichen Radiostationen
Als ich in der Mittelschule war, brachten Leute aus Kanton die ersten Kassettenrecorder mit und dazu Kopien von Tonbandkassetten mit Musik von Teresa Teng und Liu Wenzheng. So trafen wir uns nachmittags im Haus eines Mitschülers, der im Besitz dieser Schätze war, und lauschten den Liedern von Teresa Teng, was damals verboten war. Sie galt als Sängerin der Kuomintang und hatte damit ein absolut negatives Image. Unseren Ohren war das aber egal, wir ließen uns nicht bange machen und genossen die Stimme Teresa Tengs so ideologiefrei wie den Klang der Natur.
Nach dem ersten Nachmittag war ich infiziert. Nur hatte nicht jeder einen Kassettenrecorder, und an die Originalaufnahmen von Teresa Teng heranzukommen war alles andere als einfach. Doch die Liebe bricht sich ihre Bahn. Wir Schüler lernten schnell, über die Kurzwelle des Radios heimlich nach den »feindlichen Sendern« zu suchen, um unsere Lieblinge hören zu können. Einmal gefunden, begann unser jugendliches Herz trotz des verzerrten Signals zu flattern. Und wir hatten dabei kein besonders schlechtes Gewissen, denn wir wussten, dass die Erwachsenen einen viel schlimmeren Verstoß begangen, denn sie hörten heimlich sogar die Nachrichten der »feindlichen Sender«, in denen offenbar jede Menge »konterrevolutionäre« Propaganda verbreitet wurde.
In dieser Zeit wurde es gerade üblich, dass viele Chinesen heimlich die Frequenzen von »Voice of America« suchten oder die sowjetischer und taiwanesischer Sender. Die achtziger Jahre waren vermutlich das goldene Zeitalter für die chinesischsprachigen Programme von »Voice of America« und anderen ausländischen Sendern.
Beim Wassertrinken nicht die Brunnengraber vergessen
Meine Familie bewohnte in den achtziger Jahren eine Zweizimmerwohnung am östlichen Ende eines Flachbaus. Die Wohnung hatte gut 30 Quadratmeter und keine Toilette, und die Küche war Teil des Wohnzimmers. Mein
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