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Sind wir nun gluecklich

Sind wir nun gluecklich

Titel: Sind wir nun gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bai Yansong
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mangelte, um den armen Leuten dort zu helfen.
    Auch diese Geschichte bewegte uns sehr. Aber wäre es nicht besser, wenn wir hier statt Rührung Empörung und Schuldbewusstsein empfänden? Es handelte sich um ein großes Dorf, in dem es offenbar vor dem Auftauchen von Li Chunyan keinen Arzt gegeben hatte. Ich stellte mir vor, dass die Leute dort allein gebaren und allein starben und niemals medizinische Hilfe hatten. Sie blieb und war ihr einziger Hoffnungsschimmer. Und wir überlassen so gerührt wie selbstzufrieden und träge die Dorfbewohner der Großherzigkeit Li Chunyans. Wir vergessen in unserer Rührung das Leid, das diese Regung verursacht, als ginge uns das Leben und das Leiden der Bauern nichts an. Es gibt vieles, was wir tun sollten und müssen, und weder unsere Rührung noch unsere Betroffenheit oder unser schlechtes Gewissen reichen dafür aus, wir müssen uns die Tränen abwischen und zur Tat schreiten, uns hinter diese Ärztin stellen und hinter all diejenigen, deren Geschichte uns bewegt hat. Erst dann werden unsere Betroffenheit und unser schlechtes Gewissen geringer werden.
    Der Knackpunkt ist: Was fangen wir mit den vielen Schwüren an, die wir im Moment der Rührung leisten? Wir schalten den Fernseher ab und legen uns schlafen – ob wir uns beim Aufwachen noch an die guten Vorsätze von gestern erinnern werden?

    32 Tatsächlich werden die drei Schriftzeichen dieses Namens mit insgesamt 49 Strichen geschrieben.
    33 Liu Shuwei, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Zentralen Universität für Ökonomie und Finanzen in Peking, veröffentlichte 2002 eine Studie über gängige Bilanzfälschungen staatlicher Unternehmen und trug gegen zahlreiche Widerstände zur Aufklärung einiger Fälle von Wirtschaftskriminalität bei.

Kapitel 13 – Auch ich bin ein »Post-Achtziger«
    In den vergangenen Jahren ist die Erinnerung an die achtziger Jahre Mode geworden. Jede Generation sieht die Vergangenheit im Rückblick gern durch die rosarote Brille, noch mehr, wenn man seine Erinnerungen in Worte kleidet, das Privileg einer Minderheit. Wer dieses Privileg besitzt, neigt oft unbewusst zur Verklärung oder Verzerrung einer Epoche – eine Krankheit, die jeder Generation gemeinsam ist.
    Ich bin in den sechziger Jahren geboren, 1968, um genau zu sein, und meine Generation durchlebte in den Jahren 1980 bis 1989 ihre Jugend, das Alter zwischen zwölf und 21 Jahren, in dem ich vom Mittelschüler zum Studenten wurde, um dann meine berufliche Karriere zu beginnen. Ich bin also ein typischer Vertreter der »Generation 4-6-8«, geboren in den Sechzigern, erzogen in den Achtzigern und jetzt über vierzig Jahre alt. Deshalb bin ich den Leuten, die über die achtziger Jahre schreiben, sehr dankbar, schließlich sind es die Jahre, in denen ich erwachsen geworden bin.
    In jüngster Zeit ist für die Generation der nach 1980 Geborenen hierzulande die Bezeichnung »Post-Achtziger« aufgekommen. Ich fände es eigentlich zutreffender, meine Generation so zu bezeichnen, weil gerade wir von diesen zehn Jahren eine sehr präzise Vorstellung haben.
    Wenn Intellektuelle sich an die gute alte Zeit der achtziger Jahre zurückerinnern, tun sie das in der Überzeugung, dass es sich um eine Ära handelte, in der man nach geistiger Erneuerung suchte und jeder sich große Ideale auf die Fahnen schrieb. Es gibt allerdings zwei Punkte, die die Leute beim Preisen der Vorzüge jener Dekade übersehen. Erstens kam der Trend zur geistigen Erneuerung daher, dass man gerade ein absurdes Zeitalter der geistigen Unterdrückung hinter sich hatte und nun jeder sagte, was er wollte. Die Achtziger fielen in eine geistige Lücke, in die jede Art von ideologischen Trends passen wollte. Wer hungrig ist, der findet alles wohlschmeckend. Zweitens war der geistige Reichtum relativ, der materielle Mangel jedoch war absolut. Es mag in den achtziger Jahren zwar zunehmend Haushalte mit 10 000 Yuan Jahreseinkommen 34 gegeben haben, doch insgesamt war der materielle Standard in China alles andere als gesichert. Viele junge Leute konzentrierten sich vielleicht deshalb auf geistige Nahrung, um von ihren materiellen Entbehrungen abzulenken, es ging ja gar nicht anders. Natürlich stellt materieller Mangel für junge Menschen ebenso eine Art positive Herausforderung dar, die reiche geistige Ernte sorgt auch so für wärmende Erinnerungen an diese Zeit. Man sollte dennoch nicht vergessen, dass die Erinnerungen der meisten chinesischen Mütter an jene Tage wohl nicht so

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